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Der Wind weht, wohin er will
Fragen Sie einen Schweizer nach dem Wetter und … Nein, lassen Sie es lieber bleiben. Das
Wetter ist kein Thema, über das die Eidgenossen so gern reden wie andere Völker, zum
Beispiel die Briten. Das liegt teilweise an der Abneigung des Schweizers gegen Small Talk,
aber auch daran, dass er keinen Sinn in dem Gespräch sieht. Hier ist ein typisch
schweizerisch-britischer Plausch über das Wetter:
Brite (kommt von draußen rein): »Brrr, ist das heute kalt draußen.«
Schweizer: »Es ist Winter.«
Für den Briten könnte ein solcher Auftakt einen kleinen Meinungsaustausch über das
Wetter einleiten, sei es, um das Eis zu brechen, oder einfach, um ins Gespräch zu kommen;
der Schweizer aber sieht darin nur eine Tatsachenfeststellung, und zwar keine besonders
intelligente: Es ist Winter, also ist es kalt, und damit ist das Thema erschöpft. Auch wenn
man die letzten drei Wochen noch im T -Shirt herumlaufen konnte oder die Wettervorher-
sage fürs Wochenende 30 Zentimeter Schnee prophezeit hat oder es nicht annähernd so
kalt ist wie letztes Jahr (jede dieser Bemerkungen könnte ganz selbstverständlich in einem
britischen Small Talk fallen). Dass die Schweizer immer direkt sagen, was Sache ist, könn-
te den Eindruck vermitteln, sie seien unhöflich oder nicht an ihrem Gesprächspartner in-
teressiert, obwohl beides - bei den meisten jedenfalls - nicht stimmt. Sie sind es nur nicht
gewohnt, dass andere über Belanglosigkeiten reden oder ihr Privatleben ausbreiten möch-
ten, schon gar nicht vor Fremden. Für den Schweizer und die Schweizerin ist es angeneh-
mer, neben jemandem zu stehen und schweigend den Regen zu beobachten, als darüber zu
sprechen. Die Ironie dabei ist, dass das Schweizer Wetter durchaus der Rede wert ist.
Im Schatten der höchsten Berge Europas zu leben heißt, dass das Wetter einerseits be-
merkenswert beständig, andererseits extrem wechselhaft sein kann. Hoch- oder Tiefdruck-
gebiete können sich tagelang über der Schweiz halten und ihre Bewohner grillen oder tief-
kühlen. Dann aber kommt es zu einem Wetterumschwung, und die Temperaturen ändern
sich binnen Stunden um 20 Grad. Umgeben von Bergen und ohne Meer, das im Sommer
für Abkühlung und im Winter für Wärme sorgt, schlägt das Wetter hier in beide Extreme
aus: Den Schweizer Kälte- und Hitzerekord, minus 41,8 Grad beziehungsweise plus 41,5
Grad, verbindet man eher mit Sibirien beziehungsweise der Sahara.
Allerdings gibt es ein Wetterphänomen, das die Eidgenossen für sich beanspruchen und
über das sie auch gern plaudern: den Föhn. Erwähnen Sie den Föhn, und Sie werden die
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