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Wie Käse gemacht wird
Alt und Neu koexistieren in der Schweiz scheinbar ziemlich problemlos. Ein schönes Bei-
spiel dafür ist die Emmentaler Schaukäserei Affoltern (ebenfalls i. E.): Hier können Sie zu-
sammen mit Busladungen aufgeregter Schweizer Omis zuschauen, wie der berühmte Käse
gemacht wird, und sich mittels mehrsprachiger Kopfhörer alles über den Vorgang erklären
lassen. Durch riesige Plexiglasscheiben von der Käserei getrennt, blickt man auf gewaltige
Bottiche hinab, in denen Milch geschleudert wird. Es weht einem sogar der typische Ge-
ruch entgegen, vor allem unten, wo die großen Käseräder in Regalen liegen. Als würde
man die Nase in fremde Schuhe stecken.
Jedenfalls kenne ich jetzt das perfekte Rezept für Emmentaler. Man nehme eine Kuh,
füttere sie täglich mit 100 Kilogramm frischem Gras, gebe 85 Liter Wasser dazu und lasse
sie wiederkäuen. Wenn man sie dann zweimal täglich melkt, gibt sie bis zu 22 Liter ihres
weißen Goldes. Man füge Lab hinzu und erwärme alles bei 32 Grad Celsius, bis es gerinnt.
Darauf muss man das Ganze mit dem Bruchschneider zerkleinern und langsam auf 55
Grad Celsius erhitzen. Anschließend den Käsebruch in eine Form gießen und einen Tag
lang trockenpressen, dabei hin und wieder wenden. Nun 24 Stunden in ein Salzbad legen.
Danach muss der Laib mindestens vier Monate in einem kühlen, feuchten Keller reifen,
wobei man ihn regelmäßig wenden, waschen und abreiben sollte. Dann anschneiden und
essen.
Um ein Kilo Emmentaler zu produzieren, braucht man zwölf Liter Milch, was heißt,
dass in einem ganzen Emmentaler unheimlich viel Milch steckt. Denn so ein Käserad ist
wirklich riesig: Jedes hat einen Durchmesser von einem Meter, ist 25 Zentimeter hoch und
wiegt bis zu 120 Kilogramm. Deshalb sieht man fast nie Emmentaler Dreiecke: Gewöhn-
lich wird er zu rechteckigen Blöcken geschnitten, denn als Tortenstück wäre jedes 50 Zen-
timeter lang. Sehr unpraktisch für eine normale Käseplatte. Die Löcher wiederum entste-
hen durch eingeschlossenes CO 2 , das gegen Ende des Reifungsprozesses von Bakterien bei
ihrem Verdauungsprozess ausgestoßen wird - ja, sie pupsen. Korrekt spricht man nicht
von Löchern, sondern von Augen - der Emmentaler ist quasi der radschlagende Pfau unter
den Käsen -, deren Größe sich durch Temperaturveränderung beim Erhitzen und die Dau-
er der Härtungszeit beeinflussen lässt.
Löcherkunde ist aber nicht das Einzige, was ich in der Schaukäserei lerne. Ich erfahre
auch, was es mit AOC auf sich hat (nein, wir kochen kein Fondue mit edlem Wein). Of-
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