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Ins Herz des Emmentals
Wir fahren auf Nebenstraßen und merken schnell, wie hügelig das Emmental ist. Irgend-
wie hatte ich damit gerechnet, dass all die vielen Milchkühe in einer flacheren Gegend auf
der Weide stehen. Zwar gibt es tatsächlich massenhaft Kühe (und kaum Schafe), doch die
meisten müssen an ziemlich abschüssigen Hängen grasen. Da die Alpen nur eine Stunde
südlich liegen, sollte mich das nicht sonderlich überraschen, aber die Hügel hier sind ver-
hältnismäßig hoch. In anderen Ländern würde man sie schon als Berge bezeichnen: Im-
merhin hat der eine hinter Langnau 1036 Meter Höhe zu bieten und ist damit kaum niedri-
ger als der Mount Snowdon, wo Sir Edmund Hillary für die Besteigung des Mount Everest
trainierte. Im Vergleich zu dessen schroffen Felswänden erhebt sich hier jedoch eine mit
grünem Samt überzogene liebliche Anhöhe. Und da Langnau bereits 643 Meter über dem
Meeresspiegel liegt, trennen einen auch nur 393 Höhenmeter vom Kamm. Alles ist eben
relativ.
Trotz des buckligen Terrains wird hier hauptsächlich Landwirtschaft betrieben, aller-
dings in kleinem Maßstab. Hier gibt es keine riesigen Felder, durch die sich Mähdrescher
wühlen, der Blick schweift nicht über endlose Weiten, wo sich Ähren im Wind biegen, kei-
ne kilometerlangen Folientunnel werden von der Sonne aufgeheizt. Stattdessen sieht man
zwischen reißenden Bächen halb bewaldete Hügel, wiederkäuende Kühe auf abschüssigen
saftig grünen Weiden und Bauernhäuser in erstaunlich regelmäßigen Abständen. Manche
Höfe wirken kleiner als anderswo ein mittelgroßer Garten, doch dafür sind die Bauern-
häuser die größten, die ich je gesehen habe. Jedes ähnelt einer riesigen Holzscheune, und
ihre fußballfeldgroßen Ziegeldächer reichen beidseitig fast bis auf den Boden. Ein wenig
kaschiert wird ihre Größe durch die putzigen kleinen Fenster unter dem Dachvorsprung
und die Blumenkästen mit Geranien, die die ganze A -förmige Fassade schmücken.
Überaus fotogen und wieder mal typisch Schweiz.
Die Szenerie ist so einladend und das Wetter so angenehm, dass wir uns statt eines Mit-
tagessens mit allem Drum und Dran für ein Picknick im Freien entscheiden. Neben ande-
rem besorgen wir uns dafür das Beste, was in Schweizer Supermärkten zu bekommen ist:
hart gekochte Eier, genau für solche Gelegenheiten gedacht. Auf der Verpackung steht so-
gar Picknick-Eier! Und sie sind hübsch bunt angemalt wie Ostereier, damit man sie nicht
mit den anderen verwechselt. Die Schweizer denken eben mit.
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