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Dem Käse auf der Spur
Zum ersten Mal hält der Zug bereits zwei Minuten nach Abfahrt vom Berner Hauptbahn-
hof in Wankdorf, was mich in meinen Befürchtungen bestärkt. Hier befindet sich das Na-
tionalstadion mit dem pompösen Namen Stade de Suisse, in dem die Bundesrepublik
Deutschland 1954 bei der Fußballweltmeisterschaft den Sieg errang, was als Wunder von
Bern, nicht von Wankdorf, in die Geschichte einging. Allerdings wurde das alte Stadion
2001 abgerissen, um Platz für ein neues mit 32 000 Sitzplätzen zu machen, inklusive Solar-
dach und unverstelltem Blick auf das Spielfeld. An größeren Ereignissen haben hier bisher
die Europameisterschaft 2008 und ein Robbie Williams-Konzert stattgefunden, und für ein
Eishockey-Meisterschaftsspiel wurde die Kunstrasenfläche sogar einmal mit einer Isolier-
schicht und 300 Kilometern Schläuchen mit Kühlflüssigkeit bedeckt und anschließend eine
rund fünf Zentimeter dicke Eisschicht aufgetragen. Ansonsten spielt die örtliche Fußball-
mannschaft BSC Young Boys in diesem Stadion. Was für ein trefflicher Name: Kleine Bu-
ben, die Ball spielen.
Es dauert nie lang, bis man in der Schweiz durch offene Landschaft fährt, die Städte
sind nun mal ziemlich klein. Und auf dieser Strecke bietet sich ein majestätischer Anblick.
Der atemberaubende Hintergrund aus schneebedeckten Bergen erscheint geradezu un-
wirklich imposant, so als hätte ein künstlerisch begabter Riese gefunden, dass grüne Hügel
und Weizenfelder nicht pittoresk genug sind, und diesen gigantischen Horizont dazuge-
malt. Man ist in der Schweiz nirgends weit von den Alpen entfernt, doch manchmal wird
es einem leicht gemacht, sie zu vergessen: aus dem Auge, aus dem Sinn. Eine Kunst, die
die Schweizer kultiviert haben und die mich immer wieder in Staunen versetzt.
Auf den meisten Karten ist Langnau mit dem Zusatz »i. E.« eingetragen, und wenn man
die Bedeutung des Kürzels einmal begriffen hat, weiß man, dass hier der ideale Ausgangs-
punkt für jedwede Käse-Exkursion ist. Langnau im Emmental ist ein bescheidenes Städt-
chen mit ein paar alten Holzhäusern, blumenüberladenen Balkons, zwei Dorfkirchen, klei-
nen Läden und einem Supermarkt. Versteckt in einem scheußlich modernen Gebäude, das
einen unschönen Kontrast zu den eindrucksvollen alten Nachbarhäusern bildet, befindet
sich das Touristenbüro mit der informativen Karte zur »Emmentaler Käsestrasse«. Rein
aus Neugier frage ich, ob sie auch Informationen über Bern da haben? »Zu weit weg«, lau-
tet die inzwischen vertraute Antwort, so als hätte ich mich nach der Äußeren Mongolei
erkundigt.
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