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Auf den Glockenschlag
Nichts verkörpert Schweizer Qualität und Präzision besser als eine Schweizer Uhr. Die
Uhrenindustrie ist die schweizerischste aller Schweizer Branchen und eine der großen Er-
folgsgeschichten des Landes. Während viele der beteiligten Firmen eher klein sind, ist die
Uhrenindustrie als solche ein riesiges Geschäft. 2008 exportierte die Schweiz 21,7 Millio-
nen Zeitmesser, eigentlich kaum der Rede wert, wenn man es mit den chinesischen Ex-
portzahlen (550 Millionen) vergleicht. Doch bei den Schweizern geht Qualität vor Quanti-
tät, was sich nirgends deutlicher zeigt als im Preis: Eine aus China exportierte Uhr kostet
durchschnittlich zwei Dollar, eine aus der Schweiz 563 Dollar. Kein Wunder, dass allein die
Schweizer Uhrenindustrie jährlich Ware im Wert von 13,2 Milliarden Dollar exportiert.
Daran ist allein Calvin schuld. Bei seinem Versuch, Genf zur perfekten puritanischen
Stadt zu machen, verbot er 1541 jeglichen Schmuck und zwang die Handwerker damit,
sich einem neuen Feld zuzuwenden: den Uhren. Das erwies sich für sie als so segensreich,
dass sie sechzig Jahre später die erste Uhrmacherzunft der Welt gründeten. Ein Jahrhun-
dert danach waren sie so erfolgreich geworden, dass nicht mehr alle in Genf Platz fanden
und viele die Stadt verließen, um in den Ausläufern des Juragebirges ihr Geschäft zu eröff-
nen. Und so werden manche der berühmtesten Schweizer Uhren bis heute entlang der
französischen Grenze gefertigt: Omega und Swatch in Biel/Bienne, Tag Heuer in La
Chaux-de-Fonds, Zenith und Tissot in Le Locle. Verständlich, dass die jeweiligen Orte aus
ihrer Verbindung mit dieser Industrie größtmöglichen Nutzen ziehen wollen, sie haben
sich inzwischen unter dem Namen »Tal der Uhren« zusammengeschlossen. An dieser Stel-
le bietet sich ein Schnellkurs in Uhrmacherkunde an, man beginnt am besten in La Chaux-
de-Fonds, der geistigen Heimat dieser Kunst (siehe Romandie-Karte).
Diese Stadt, nur ein paar Kilometer von der französischen Grenze entfernt, war in ihrer
Blütezeit im 19. Jahrhundert berühmt für ihre Handwerker und Uhren und untermauerte
den glänzenden Schweizer Ruf. Außerdem ist La Chaux-de-Fonds ein herausragendes Bei-
spiel für »moderne« Stadtplanung. 1794 bis auf die Grundmauern niedergebrannt, wurde
die Stadt auf einem Schachbrettgrundriss wiederaufgebaut, und zwar mit (identischen)
vierstöckigen Häusern, die auf die Bedürfnisse der Uhrmacher zugeschnitten waren. Mit
seinen knapp 38 000 Einwohner ist es die drittgrößte französischsprachige Stadt der
Schweiz und mit 1000 Metern über dem Meeresspiegel eine der höchstgelegenen des Lan-
des.
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