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Pünktlich wie ein Uhrwerk
Zeit ist in der Schweiz ganz und gar keine Nebensache. Die Klischees über die Pünktlich-
keit der Schweizer und dass in diesem Land alles wie am Schnürchen läuft, sind durchaus
nicht abwegig. Natürlich habe ich Freunde, die regelmäßig zu spät kommen, die Züge sind
nicht immer auf die Sekunde pünktlich, und nicht jeder trägt eine Uhr. Aber das sind die
Ausnahmen in einem Land, wo Unpünktlichkeit grundsätzlich als Todsünde gilt und Öff-
nungszeiten peinlich genau eingehalten werden. Fast jeder Schweizer hat ein Handy, trotz-
dem schaffen sie es nach wie vor, pünktlich bei Konferenzen, Verabredungen und Ausflü-
gen zu erscheinen. Doch was heißt »Pünktlichkeit« für einen Schweizer? Für viele bedeu-
tet es tatsächlich ein klein bisschen früher , denn auch für einen Schweizer ist es schwierig,
auf den Glockenschlag genau an Ort und Stelle zu sein; die meisten sind also fünf Minuten
vor dem verabredeten Zeitpunkt da. Und die wenigsten warten länger als 15 Minuten, be-
vor sie wieder gehen. Offenbar gilt hier: lieber nie als zu spät.
Was Fahrplan-, Öffnungszeiten und dergleichen angeht, funktioniert die Schweiz mit
militärischer Präzision. Das gilt auch für Kinos. Filmvorführungen fangen beinahe immer
zur ganzen oder zur halben Stunde an, selten einmal um Viertel vor oder Viertel nach,
aber nie zu so komischen Zeiten wie zwanzig Minuten nach oder fünf Minuten vor der
vollen Stunde. Und die meisten haben immer noch eine Pause genau in der Mitte des
Films, selbst wenn das einen Dialog zerreißt. Das mag Perfektionisten erfreuen, vom
Standpunkt des Zuschauers aus ist dieser Zeitpunkt fast immer ungünstig gewählt. Trotz-
dem schätzen die Schweizer diese Störung offenbar und nutzen die Pinkelpause nicht nur
zu ihrem eigentlichen Zweck, sondern auch, um sich mit überteuertem Popcorn, Süßigkei-
ten und Getränken einzudecken, sodass sich die Unterbrechung für die Kinos rentiert. Wie
überall gilt auch in der Schweiz: Zeit ist Geld.
Da jeder sich stillschweigend denselben Regeln beugt, kann man Schweizer am leichtes-
ten mit nicht ganz eindeutigen Zeitangaben verwirren. Formelle Essenseinladungen im
englischen Stil, also »zwischen 6.30 Uhr und 7.00 Uhr«, geschweige denn das lässige »ge-
gen sieben« werden schlicht nicht verstanden, weil sie zu unklar sind. Bei der ersten For-
mulierung werden die meisten Gäste um 6.34 Uhr erscheinen, bei der zweiten um 7.02
Uhr. Wenn es um die Uhrzeit geht, ist Flexibilität keine Option.
Stellen Sie sich Folgendes vor: Da ein gesetzlicher Feiertag ist, hat jeder frei. Es herr-
schen 34 Grad im Schatten, und die Freibäder am Fluss im Berner Stadtzentrum sehen aus
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