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Grundschule die Straße runter, aber die meisten suchen in ihrem Keller Zuflucht. Dort
befinden sich in der Regel auch Gemeinschaftswaschmaschinen für alle Wohnungen im
Haus, denn die meisten Schweizer verzichten auf eine eigene Maschine. Manche Wasch-
küchen funktionieren fast ohne Regeln, andere stellen einen turnusmäßigen Plan auf, so-
dass jeder einmal an der Reihe ist, seine schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit zu
waschen. Man stelle sich vor: nur zwei Tage im Monat (nie sonntags, da ist es verboten),
an denen man waschen kann. Wie unzivilisiert! Aber wenigstens überlebt man den
Atomschlag, wenn er an einem Waschtag erfolgt.
Dann sind da die Sirenen. Niemand warnt einen im Voraus, und wenn man sie zum
ersten Mal hört, fragt man sich wirklich, ob ein Krieg ausgebrochen ist. Während man
erwägt, den Atomschutzbunker aufzusuchen, zeigt ein Blick auf die Straße, dass alle an-
deren unbekümmert scheinen. Entweder bleiben die Schweizer in Krisen erschreckend
ruhig, oder sie wissen etwas, was ich nicht weiß? Genau. Nämlich, dass jeden ersten
Mittwoch im Februar um 13.30 Uhr der jährliche Sirenentest stattfindet. Wenigstens ha-
ben die Sirenen noch einen Zweck außer der Warnung vor Angriffen von Gott weiß
wem - sie werden auch bei Überschwemmungen, Lawinenabgängen und anderen Natur-
katastrophen angestellt.
Der schlimmste Aspekt des schweizerischen Militarismus ist der Export von Waffen.
Einer Menge Waffen. Mir will nicht einleuchten, wie ein Land, das Frieden und Neutrali-
tät predigt, Waffen an 72 Länder der Welt verkaufen kann - Hauptabnehmer ist übrigens
Pakistan. Pro Kopf gerechnet ist die Schweiz der sechstgrößte Waffenexporteur der Welt
und setzt somit prozentual mehr ab als die Briten oder die Amerikaner. Bewaffnete Neu-
tralität ist eine Sache, da geht es um Selbstverteidigung; etwas ganz anderes ist es, wenn
man den Tod exportiert. Sich in einem Konflikt für neutral zu erklären oder gar als Ver-
mittler anzubieten ist hochgradig absurd, wenn man eine der Konfliktparteien mit Mord-
werkzeug versorgt; die Schweizer setzen diesen Widerspruch außer Kraft, indem sie an
beide Parteien Waffen verkaufen. Was zählt schon die Moral, wenn man gutes Geld ma-
chen kann? »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Geschäfte mit anderen Mitteln«,
hätte Clausewitz wohl gesagt, wäre er Schweizer gewesen. So wie einst, als sie ihre Bür-
ger als Söldner exportierte oder Gold von allen nahm, die welches hatten, profitiert die
Schweiz heute noch von Kriegen, die andere führen. Ein Referendum zum Verbot von
Waffenexporten scheiterte im November 2009. Offenbar sind für die meisten Schweizer
Moral und Geld zwei Paar Stiefel.
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