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dass Bergbahnen in der Regel eng beieinanderliegende Schienen brauchen (Schmalspur-
bahn), um mit der Steigung zurechtzukommen, während die Schienen der Normalspur-
bahn einen größeren Abstand haben. Vielleicht genügt es zu wissen, dass die Eröffnung
dieser Linie im Jahr 1875 für Heiden der Beginn eines Booms war, der bis zum Ersten
Weltkrieg anhielt. Und während dieser Zeit lebte und starb Dunant dort.
Heute ist Heiden nur noch ein Schatten seiner selbst, aber rund um den Marktplatz
kann seine frühere Pracht besichtigt werden. Eines der Glanzlichter ist das Rathaus, ein
helles zweistöckiges Gebäude, das mit seiner schlichten symmetrischen Eleganz in mei-
nen englischen Augen georgianisch wirkt. Doch ein Blick über den menschenleeren Platz
offenbart die Einförmigkeit der Architektur. Alle anderen Häuser sehen wie Zwillinge
des Rathauses aus; offenbar wurden sie ungefähr um dieselbe Zeit errichtet, im selben
Stil und in einer ähnlichen Farbe, also Schattierungen von Grauweiß. Fast sieht es so aus,
als wäre hier eine Stadt aus dem Boden gestampft worden. Eine Infotafel verrät den
Grund: 1838 wurde Heiden durch eine föhngestützte Feuersbrunst vernichtet, um dann in
klassizistisch-biedermeierlichem Stil wiederaufgebaut zu werden.
Heiden liegt am Rand des hügeligen Schweizer Mittellands 400 Meter über dem Bo-
densee, einem der größten Seen Europas. Auch an Sonnentagen kann der Horizont in
blauen Nebel gehüllt sein, sodass Wasser und Himmel zu verschmelzen scheinen und
man sich fühlt wie am Ende der Welt. Tatsächlich aber liegt Heiden nur am Ende der
Schweiz, die sich den Bodensee mit Deutschland und Österreich teilen muss, wobei die
Grenzen irgendwo im Wasser verlaufen. Diesen friedlichen Anblick muss Dunant bei sei-
nen regelmäßigen Gesundheitsspaziergängen genossen haben. An einer Stelle mit dem
schönsten Seeblick gibt es sogar einen kleinen, nach ihm benannten Park mit einem
großen Denkmal, wenngleich das kantige Machwerk aus den 1950er-Jahren weder so
recht zu ihm noch zu dem Ort passt. Aber um die ganze Geschichte des bedeutendsten
Einwohners von Heiden zu erfahren, müssen wir das Spital aufsuchen, mit seiner grauen
Farbe und seiner Größe eine imposantere Version der Gebäude auf dem Marktplatz. Heu-
te ist es kein Krankenhaus mehr, sondern beherbergt das Henri-Dunant-Museum, denn
hier hat Dunant von 1887 bis zu seinem Tod am 30. Oktober 1910 ein Zimmer bewohnt.
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