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Bitteres Ende
Henri Dunants Leben begann am Ufer des Genfer Sees und endete oberhalb eines Sees am
anderen Ende der Schweiz. Die beiden Seen begrenzen wie gigantische Bücherstützen das
Land von beiden Seiten und haben einiges gemeinsam. Beide sind im Grunde riesige Aus-
beulungen eines großen Flusses - der Genfer See ist eine Ausbuchtung der Rhône, der Bo-
densee eine des Rheins. Und keiner von beiden gehört ganz der Schweiz. Die Namen stif-
ten wieder einmal Verwirrung. Dass der Genfer See auf Französisch Lac Léman heißt, lei-
tet sich augenscheinlich vom lateinischen Lac Lemannus her, hat aber vermutlich mehr
damit zu tun, dass die Franzosen ihren größten See nicht nach einer Schweizer Stadt be-
nennen wollten. Der englische Name Lake Constance benennt den Bodensee sinnvoller-
weise nach seinem Hauptort, dem deutschen Konstanz, das im 16. Jahrhundert vergeblich
den Beitritt zur Schweizer Konföderation anstrebte. In Deutschland heißt der See Boden-
see, ein Name, der bei einem Blick auf die Landkarte einleuchtet: Der See liegt eindeutig
am unteren Ende von Deutschland. Macht nichts, dass er für die Schweizer und die Öster-
reicher, die den Namen ebenfalls benutzen, vollkommen unsinnig ist (siehe Karte der Ost-
schweiz).
Im Unterschied zu den Briten machen die Deutschen sehr gern Urlaub am Bodensee mit
seinen historischen Städten und großartigen Burgen, und auch in der Hochsaison hat es
seinen ganz eigenen Zauber, an der Uferpromenade zu sitzen und Eis zu essen. Man fühlt
sich gar nicht wie in Deutschland. Im Gegensatz dazu ist das Schweizer Ufer unsagbar
langweilig, die Orte wirken deprimierend, und den Besuchern wird nichts geboten. Statt
das Ufer mit schönen Städten zu säumen, hat die Schweiz sie im Inland versteckt, als wolle
sie ihre Schätze verheimlichen. Das hat nicht funktioniert. Schmuckstücke wie die pracht-
volle Barockkirche von St. Gallen oder das unglaublich urige Dorf Appenzell kann man
nicht bauen und dann erwarten, dass sie unentdeckt bleiben.
In seinen letzten 23 Lebensjahren wohnte Dunant ganz in der Nähe, in der Gemeinde
Heiden im Halbkanton Appenzell Ausserrhoden, also im protestantischen Teil, der nur we-
nig größer ist als sein katholischer Zwilling Innerrhoden. Damals war Heiden dank seiner
sauberen Luft und der Eisenbahn ein angesagter Kurort. Erholungsuchende aus deutschen
Großstädten konnten ohne Umsteigen anreisen. Die Linie vom See hinauf nach Heiden ist
eine von nur zwei Zahnradbahnen der Schweiz mit normaler Spurweite, die andere ist die
Rigibahn. Wenn Ihnen das so wenig sagt wie früher mir, lautet die einfache Erklärung,
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