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Rothalbmond-)Gesellschaft; deshalb steht auf diesen riesigen Lebensmittelhilfesäcken im-
mer »Gift of the American Red Cross« -ich dachte immer, dass die Amerikaner einfach
wieder mal angeben wollen. Die Aufsicht über die vielen Gesellschaften führt das IKRK ,
ein Komitee mit 18 Mitgliedern, die Konsensentscheidungen treffen. Das ist durch und
durch schweizerisch, und auch die Mitglieder sind allesamt Eidgenossen. Damit ist die
Neutralität des Komitees garantiert, die durch Mitglieder aus anderen Ländern beein-
trächtigt werden könnte. Wie würde zum Beispiel ein russisches Mitglied auf Hilferufe
aus Tschetschenien reagieren oder ein sudanesisches auf solche aus Darfur? Hier vorur-
teilsfrei zu bleiben wäre schwierig, und das IKRK würde so unparteiisch entscheiden wie
Eiskunstlaufrichter oder die Jury beim Eurovision Song Contest. Dieses Komitee einfach
als Red Cross zu bezeichnen, wie wir faulen Engländer es tun, ist also technisch nicht
korrekt. Schweizer hingegen sind überaus akkurat, immerhin machen sie die besten
Uhren der Welt.
Also nennen wir wie echte Schweizer das Museum bei seinem vollen Namen - das In-
ternationale Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum -, um es dann nach englischer Manier
wieder auf etwas Aussprechbares zurückzuschrauben. Es gehört zu den besseren Museen
der Schweiz, denn es informiert, ohne zu bevormunden, und gibt Denkanstöße, während
es zugleich die Folgen der Unmenschlichkeit erforscht. Vor allem aber ist es bewegend.
Man bräuchte schon ein Herz aus Stein, um beim Anblick der sieben Millionen Karteikar-
ten ungerührt zu bleiben, die sich zu einer Gesamthöhe von über 400 Metern auftürmen:
Denn jede Karte steht für einen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkriegs. Einfühlsame
Menschen wie ich fragen sich, was aus jedem einzelnen dieser Männer geworden ist oder
aus den 45 Millionen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs (deren Karteikarten dan-
kenswerterweise nicht ausgestellt sind; das wäre doch zu viel).
Das fesselndste Ausstellungsstück ist das vielleicht unscheinbarste, nämlich der Inhalt
eines schlichten Kartons: 1 Liter Pflanzenöl, 3 Kilogramm Langkornreis, 3 Kilogramm
Nudeln, 100 Gramm Hefe, 1 Kilogramm weißer Zucker, 500 Gramm Salz, 8 Kilogramm
Mehl und 2 Kilogramm getrocknete weiße Bohnen oder 5 Dosen Hühnchenfleisch zu je
425 Gramm. Das klingt wie die Zutatenliste zu einem wenig schmackhaften Rezept, aber
es ist der Inhalt eines typischen Rotkreuz-Lebensmittelpakets, mit dem ein Erwachsener
einen Monat auskommt. Auch die Bestandteile des Hygienepakets sind aufschlussreich: 3
Kilogramm Waschpulver, 4 Rollen Toilettenpapier, 200 Gramm Seife, 75 Milliliter Zahn-
pasta, 250 Milliliter Shampoo, ebenfalls für einen Erwachsenen für einen Monat zusam-
mengestellt. Der Inhalt beider Kartons macht in der Vitrine nicht viel her, aber er hat un-
zähligen Menschen das Leben gerettet. So oft habe ich im Fernsehen beobachtet, wie sie
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