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Das Leben ist ein Pirsich - oder eine Kokosnuss
In ihrem Buch Schokolade ist nicht alles benutzt Margaret Oertig-Davidson eine inter-
essante Fruchtmetapher, um die Unterschiede zwischen den Schweizern und der englisch-
sprachigen Welt zu beschreiben. Durchaus passend für Insulaner haben die Schweizer
Ähnlichkeit mit Kokosnüssen. Das heißt nicht, dass sie alle klein, braun und haarig wären,
obwohl es auf manche zutrifft, sondern dass sie zwischen der öffentlichen und der priva-
ten Sphäre ihres Lebens eine klare Grenze ziehen. Die Schale einer Kokosnuss ist schwer
zu knacken, und als ebenso schwer kann es sich erweisen, mit Schweizern zum Du über-
zugehen oder sie überhaupt näher kennenzulernen. Für Schweizer steht fest, dass die meis-
ten Menschen zur äußeren Schale gehören, wo man per Sie ist und nicht übers Privatleben
spricht. Der Innenbereich bleibt den engsten Freunden und Angehörigen vorbehalten, zu
denen man ein Leben lang Beziehungen pflegt. Zu dieser Privatsphäre gehört die eigene
Wohnung, in die nur selten Fremde eingeladen werden; das Heim eines Schweizers hat al-
so eher Festungscharakter. Mag sein, dass die Schweizer deshalb kühl und distanziert wir-
ken, aber was dem Fremden als unfreundlich erscheint, heißt eigentlich nur, dass sie den
persönlichen Freiraum achten und sich Zeit nehmen, jemanden kennenzulernen.
Im Gegensatz zu den vorsichtigen Kokosnüssen gleichen die englischsprachigen Gesell-
schaften eher Pfirsichen. Im weichen Fruchtfleisch ist jeder Fremde ein potenzieller
Freund, man spricht sich ohne Umstände beim Vornamen an, das eigene Heim steht allen
offen, und die Atmosphäre ist wesentlich entspannter. Und weil Freunde ein Leben lang
kommen und gehen, besteht der viel kleinere Kern im Wesentlichen aus der Kleinfamilie,
den Menschen, die einem auch ungewollt erhalten bleiben. Vielleicht passt die Pfirsichme-
tapher am besten auf Amerikaner, während die Briten eher noch einer Ananas gleichen -
anfangs ein bisschen stachlig, aber die Schale ist nicht so hart wie die der Kokosnuss.
Dann kommt der große weiche Teil, wo Arbeitskollegen, Nachbarn, Freunde und Bekannte
ziemlich zwanglos zusammenkommen, während die Familie den harten Strunk bildet.
Natürlich trifft der Kokosnussvergleich nicht auf jeden Schweizer zu, aber dem Gesamt-
bild wird er gerecht. Die Schweizer sind höflich und freundlich, neuen Bekannten gegen-
über aber eher zurückhaltend, und sie schließen sich gern zusammen. Hat man die Schale
erst mal geknackt, sieht die Sache völlig anders aus - in einem Schweizer findet man den
Freund fürs Leben, nicht nur für die Weihnachtsfeier.
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