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schaft. Die so entstandenen Verträge, jeweils durch ein Referendum abgesegnet, regeln
eine Menge Fragen (hauptsächlich in den Bereichen Handels- und Arbeitsbeziehungen),
sodass die Eidgenossen fast wie ein EU -Mitglied viele Vorteile genießen, aber auch Kos-
ten tragen, ohne Vollmitglied zu sein. So gehört die Schweiz zum Schengen-Gebiet, das
heißt, dass Grenzkontrollen entfallen. Auch hat sie der Freizügigkeit zugestimmt, was be-
deutet, dass - mit gewissen Einschränkungen für Osteuropäer - EU -Bürger in der
Schweiz leben und arbeiten dürfen und umgekehrt. Das hat zwar nicht, wie befürchtet,
zu einer Einreisewelle polnischer Klempner geführt, dafür aber zum ungehemmten
Zustrom deutscher Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer und so weiter. Die Schweiz konnte
in den 40er-Jahren die deutsche Invasion verhindern, aber mit der Jahrtausendwende hat
sie vor den Krauts kapituliert.
Doch nicht nur Sprache und Zuwanderung stellen ein Problem dar, sondern auch die
Geschichte, und zwar vor allem der Zweite Weltkrieg. Die Schweizer taten das Notwen-
dige, um zu überleben. Was sie taten, war natürlich nicht immer vorbildlich, aber die Al-
liierten waren auch keine Engel, und viele Schweizer bemühten sich wirklich zu helfen.
Was den Schweizern aber wohl am meisten Unbehagen bereitet, ist ihr Verhalten nach
dem Krieg. Ein Begriff bringt es auf den Punkt: Nazigold. Er deckt Verschiedenes ab, be-
zieht sich aber hauptsächlich auf das Gold, das die Nazis in der Schweiz deponierten, und
die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen, die noch lange nach Kriegsende auf Schweizer
Banken lagerten. Bei Ersterem wird den Schweizern vorgeworfen, dass sie nicht fragten,
woher das Gold stammte - hier geht es wieder um den Komplex Vertrauen - Privatsphä-
re -, sie machten sich also mit Hehlerware im Wert von Millionen Franken die Hände
schmutzig. Die Erklärung, man habe in gutem Glauben gehandelt, überzeugt nur bis zu
einem gewissen Punkt; jenseits davon riecht es stark nach Opportunismus. Und so muss
man es auch bezeichnen. Das Sprichwort »Geld stinkt nicht«, oder anders ausgedrückt,
Geld kann nicht schmutzig sein, wurde in diesem Fall unhinterfragt für bare Münze ge-
nommen.
Da kam es den Schweizern sehr gelegen, dass die siegreichen Alliierten nach dem
Krieg ihr Geld brauchten, sowohl um Europa wiederaufzubauen wie auch um die sowje-
tische Bedrohung einzudämmen. Lappalien wie 444 Millionen Dollar in Gold (laut
Bergier-Bericht) wurden im Namen der zu verteidigenden Demokratie unter den großen
Teppich gekehrt. Was mit dem Gold passiert ist? Wer weiß? Nachdem sie dem ersten Ge-
schoss ausgewichen waren, ignorierten die Schweizer das zweite. Doch es schlug fünfzig
Jahre später genau da ein, wo es am meisten wehtut, im Herzen der eidgenössischen Ban-
ken. 1995 klagte der Jüdische Weltkongress ( WJC ), unterstützt vom US -Senat, auf Her-
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