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hinterziehen, gibt Hans-Peter Portmann, ein Schweizer Banker (und Politiker, das eine
schließt das andere nicht aus), eine typisch schweizerische Antwort: Es gebe keinen
Grund, warum der Staat seinen Bürgern nicht vertrauen sollte, also auch keinen Grund,
dem Staat zu erlauben, die Finanzen der Bürger zu inspizieren. Diese Weltsicht schafft
immer wieder Probleme.
In den letzten Jahren ist kaum ein Monat vergangen, ohne dass die Schweiz in einen
Steuerdisput verwickelt gewesen wäre: mit den Amerikanern um die UBS -Kundenliste;
mit den Deutschen wegen der Steuerflucht; mit den Franzosen wegen der Transparenz;
mit der EU wegen Steuerbegünstigungen für Unternehmen. Die Liste ließe sich beliebig
fortsetzen. Im Jahr 2009 spitzte sich die Lage zu, und die Schweiz beugte sich dem inter-
nationalen Druck zur Kooperation in Steuerfragen. Die Eidgenossen erklärten sich bereit,
auch in Fällen von Steuerhinterziehung - und nicht nur bei Betrug - zu helfen und un-
terzeichneten revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Ländern.
Ist damit das Schweizer Bankgeheimnis außer Kraft gesetzt? Wahrscheinlich nicht, ob-
wohl die eidgenössischen Banken wohl einige ihrer Geschäftsgepflogenheiten ändern
müssen. Die Tage wahrhaft anonymer Konten und prall mit Bargeld gefüllter Koffer sind
ohnehin längst vorbei, also geht es heute eher darum, dass Banken nicht für die Steuer-
flucht werben (wie es die UBS in den Vereinigten Staaten getan hat) und gleichzeitig ein
Image der blütenreinen Weste pflegen. Aber gegen Steuerhinterziehung vorzugehen heißt
noch nicht, die Privatsphäre zur sturmfreien Bude zu erklären. Das ist ein großer Unter-
schied.
Das Bankgeheimnis ist im Grunde nicht das Problem. Es ist für jede Bank in jedem
Land unverzichtbar; Sie können auch nicht einfach zu einer britischen Bank gehen und
Einzelheiten über meine Finanzen erfahren. Und die meisten Länder haben ihre vorgela-
gerten Steueroasen, wo die Reichen und Mächtigen ihr Geld vor dem Finanzamt verste-
cken. Großbritannien hat seine Kanalinseln, Frankreich Monaco, und Amerikaner nutzen
gern die Kaimaninseln (oder auch ihren eigenen Bundesstaat Delaware). Worauf es an-
kommt, ist Kooperation, und davon sollten die Schweizer eigentlich etwas verstehen,
denn schließlich arbeiten sie in ihrer Heimat schon seit Jahrhunderten erfolgreich zusam-
men. Problematisch ist nur, dass Schweizer es hassen, wenn andere ihnen sagen, was sie
zu tun und wie sie ihr Land zu regieren haben. Dieser Kantönligeist auf nationaler Ebene
ist einer der Hauptgründe, warum die Schweizer nicht der Europäischen Union beitreten.
Dass Brüssel sich in ihre Angelegenheiten mischt, wäre eine groß angelegte Verletzung
der Schweizer Privatsphäre. Und Mobbing durch mächtigere Länder hat in der Regel den
gegenteiligen Effekt: Die Schweizer sind nicht umsonst für ihre Sturheit berühmt.
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