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Vom Geld und was es in der Schweiz wert ist
Zürich mag nicht die Hauptstadt sein, aber für viele ist die Metropole der Inbegriff der ur-
banen Schweiz: kompakt und effizient, dennoch kosmopolitisch und aufregend, vor allem
wenn man aus dem ländlichen Appenzell kommt. Zürich hat alles, was eine Schweizer
Stadt braucht: Seeufer, Alpen im Hintergrund, vorüberrollende Trambahnen, in den Him-
mel ragende Kirchturmspitzen. Nicht ein Hauch von Umweltverschmutzung, es liegt sogar
ein zarter, aber unverkennbarer Schokoladenduft in der Luft. Kein Wunder, dass Zürich re-
gelmäßig ganz oben auf der Hitliste der lebenswertesten Städte der Welt steht.
Nicht nur in der englischsprachigen Welt beschwört Zürich aber auch das Bild des Ban-
kers im grauen Anzug herauf. Einstmals, als das Pfund in der Tasche noch 20 Schilling
wert war, kreierte der britische Premier Harold Wilson das geflügelte Wort von den »Gno-
men von Zürich«. Und damit meinte er nicht die kleinen bärtigen Gestalten, die an den
Weihnachtsmann erinnern und zahlreiche englische Vorgärten bevölkern. Diese Zwerge
waren gierige Heimlichtuer, die mit ihrem gehorteten Gold im Untergrund lebten und eine
weltweite Spekulation gegen das unschuldige Pfund Sterling betrieben. Nicht gerade ein
schmeichelhaftes Bild, aber schwer wieder auzuräumen. Wer die Wendung heute googelt,
stößt auf Artikel über das Schweizer Bankwesen. Sie wirkt sogar unbewusst in Harry Pot-
ter nach - wo die Zauberbank Gringotts von Kobolden geführt wird, den noch hässliche-
ren Vettern der Gnome, die in Märchen ja traditionell die Bösewichter geben. Heutzutage
werden Banker mit noch schlimmeren Beschimpfungen überschüttet, aber Wilson lebte in
einer Epoche, in der Bankiers zumindest in Großbritannien noch ehrliche, anständige Leu-
te waren, denen man das Tafelsilber anvertraute und die man im Krisenfall um Rat fragte
- nicht Banditen, die mit Luftnummern Krisen verursachen und damit den großen Rei-
bach machen. Wie sich doch die Welt verändert hat!
Die einzigen Gnome, die man heute in Zürich sieht, sind die gemeinen Gartenzwerge
im Schaufenster einer Samenhandlung: fröhliche, bunt gekleidete Kerlchen mit Zipfelmüt-
zen. Am Paradeplatz, dem Standort der beiden Schweizer Großbanken, begegnet man hin-
gegen nur seriös gekleideten Männern von normaler Statur und größtenteils bartlos,
wenngleich nicht wenige einen Schnurrbart tragen, der sich bei Schweizern einer irritie-
renden Beliebtheit erfreut. Der eine oder andere hat auch eine Melone auf dem Kopf, die
aber eher modisches Statement als ein Statussymbol ist. Unterscheiden sich Schweizer
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