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Das schwarze Schaf Europas?
Um einschätzen zu können, wie grundsätzlich die Immigrationsdebatte in der modernen
Schweiz geführt wird, müssen wir uns zwei Abstimmungen ansehen: die allgemeinen
Wahlen 2007 und das Referendum zu den Minaretten von 2009. Im Wahlkampf hatte die
rechte SVP ihre Kampagne auf zwei Themen reduziert - ihren Vorsitzenden und die Ein-
wanderung -, womit sie die anderen Parteien vor den Kopf stieß und weltweit Schlagzei-
len machte. Überall hingen Plakate von Christoph Blocher, dabei gehörte er doch dem
Bundesrat an, dessen Mitglieder über der Parteipolitik stehen sollten. Was traditionell be-
deutete, dass sie sich, zumindest in der Öffentlichkeit, aus Wahlkämpfen heraushielten.
Mit Blocher hat sich das geändert.
Mehr Explosionsstoff barg allerdings das andere Plakat der SVP , eine Zeichnung von
drei weißen Schafen, die auf einer Schweizer Fahne stehen und ein schwarzes Schaf über
die Grenze kicken. Für manche war nicht nur die Darstellung empörend, sondern auch die
Farbgebung: schwarz, weiß und rot wie die Parteiflagge der Nationalsozialisten. Von den
Linken verunstaltet, von den Rechten verteidigt, führten die Plakate zu gewalttätigen Zu-
sammenstößen auf den Straßen von Bern, zu einer Rüge der Vereinten Nationen und zu
britischen Schlagzeilen wie: »Ist die Schweiz Europas Herz der Finsternis geworden?« Für
die meisten Schweizer war es ein ziemlicher Schock: Immerhin waren sie daran gewöhnt,
dass ihre Wahlen außerhalb der Landesgrenzen kaum Aufsehen erregten. Leider verfehl-
ten die Plakate ihre Wirkung nicht. Mit 29 Prozent errang die SVP das höchste Ergebnis,
das je eine Partei seit Einführung der Proporzwahl eingefahren hat. Der einzige Lichtblick
für die anderen Parteien war, dass Blocher danach seinen Sitz im Bundesrat verlor. Große
Tiere kommen in der Schweiz schnell zu Fall.
Das inzwischen berüchtigte »Schäfchenplakat« war vielleicht rassistisch, entfaltete aber
Wirkung, weil es ein weitverbreitetes Gefühl der Fremdenfeindlichkeit aufgriff. Wobei für
die meisten Schweizer nicht unbedingt Menschen schwarzer Hautfarbe das Problem sind,
sondern Fremde im Allgemeinen, und zwar insbesondere jene aus Exjugoslawien. Oft als
»Jugos« verunglimpft, werden sie nicht nur bei der Arbeits- und Wohnungssuche diskri-
miniert, sondern sogar bei der Autoversicherung. Viele sind zudem Muslime, was bei der
Abstimmung im November 2009 über die Minarette ein entscheidender Faktor war. Ob-
wohl es in der ganzen Schweiz bisher nur vier recht hübsche Minarette gibt, brachte die
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