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Kasten 1.13 Chondrite, die Geburt der Erde und ein Kern aus Eisen
Wir gehen davon aus, dass die Zusammensetzung einer be-
stimmte Sorte von Meteoriten, nämlich der sogenannten
kohligen Chondrite, ziemlich genau der durchschnittlichen
Gesamtzusammensetzung der Erde entspricht. Bei diesen
Meteoriten handelt es sich nämlich um Klumpen des ur-
sprünglichen Materials, das während der Geburt des Sonnen-
systems kondensiert ist - der Baustoff, aus dem auch die
inneren Planeten entstanden sind.
Diese Meteoriten bestehen weitgehend aus kleinen Kügelchen
aus Glas und darin enthaltenen feinen Silikatmineralen, die
als Chondren bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um
kondensierte Schmelztröpfchen. Diese Chondren sind durch
Staubkörnchen verbacken, bei denen es sich insbesondere um
winzige Kristalle wie Korund, Perowskit und Spinell handelt,
die von Meteoritenforschern als » Ca-Al-rich inclusions « zusam-
mengefasst werden. Auch andere Staubkörner wie Diamant,
Grafit, SiC und diverse Oxid- und Silikatminerale kommen
vor.
Das Sonnensystem entstand aus einer kugelförmigen Wolke
aus Gas und Staub. Vermutlich durch eine nicht allzu weit
entfernte Supernova ausgelöst, kollabierte die Wolke zu einer
rotierenden Akkretionsscheibe. Rund 99 % der Masse sammel-
ten sich im Zentrum der Scheibe. Im Kern dieser Anballung
von Materie herrschten schließlich so hohe Temperaturen,
dass die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium einsetzte. Da-
mit war ein neuer Stern geboren, unsere Sonne. In einiger
Entfernung kühlte die Scheibe schnell ab und kondensierte
vor etwa 4,57 Milliarden Jahren: zunächst die Ca-Al-rich
inclusions , dann die Schmelztröpfchen und schließlich weitere
Staubkörnchen. Die chondritischen Meteoriten sind Stücke
der ersten kleinen Himmelskörper, sogenannter Planetesimale,
die sich aus diesen Partikeln zusammenballten.
Zu diesem Zeitpunkt war das Sonnensystem geradezu mit
Staub und Planetesimalen gefüllt. Die Gravitation sorgte für
ein schnelles Wachstum der größeren Körper, indem sie das
Material der Umgebung »ansaugten«. Auf diese Weise konnten
in relativ kurzer Zeit Planeten heranwachsen, maximal von der
Größe des Mars. Durch Kollisionen dieser Planeten konnten
schließlich auch größere Planeten wie die Erde entstehen. Im
Gegensatz zu den großen äußeren Planeten, die große
Mengen an Gas ansammeln konnten, ist die Erde an flüchtigen
Elementen vergleichsweise abgereichert.
Das Wachstum der Erde war etwa 100 Millionen Jahre nach
Geburt des Sonnensystems abgeschlossen, wobei sie schon
nach zehn Millionen Jahren nahezu ihre heutige Masse hatte
(Canup & Agnor 2000) und die Akkretion immer langsamer
wurde. Eine erstaunlich kurze Zeitspanne im Rahmen der
Erdgeschichte. Ein wichtiges Ereignis war die Entstehung des
Mondes, etwa 30 Millionen Jahre nach Geburt des Sonnen-
systems. Nach der gängigen Theorie kollidierte ein etwa
Mars-großer Planet mit der Erde, die dabei teilweise aufge-
schmolzen wurde - und zur Seite gespritztes Material erstarrte
zu einem Mond, der seither um die Erde kreist.
Ein weiteres wichtiges Ereignis der frühen Erde ist die Fraktio-
nierung des ursprünglich homogenen Materials in zwei unter-
schiedlich zusammengesetzte Schalen: in Kern und Mantel.
Die Erde war so heiß, dass eine Eisenschmelze aufgrund ihrer
hohen Dichte in die Tiefe sickerte beziehungsweise diapirartig
absank und sich im Zentrum als Kern ansammelte. Inzwischen
gehen wir nicht mehr davon aus, dass dies eine zu einem be-
stimmten datierbaren Zeitpunkt stattgefundene »Eisenkatast-
rophe« war. Vielmehr war dies ein Prozess, der während des
schnellen Wachstums der frühen Erde immer wieder stattfand.
Eine kritische Frage dabei ist, wie stark die Erde aufgeschmol-
zen sein musste, um eine effektive Trennung zu ermöglichen,
weil die Mobilität von Eisenschmelze in einem festen Silikat-
gestein sehr eingeschränkt ist. Wahrscheinlich wurde die
frühe Erde mehrfach durch Kollisionen teilweise oder gar weit-
gehend aufgeschmolzen. Es dauert einige Zeit, bis ein solcher
tiefer Magmaozean erstarrt ist. Nach einem Modell (Solomatov
2000) sammelte sich am Grund dieser Magmaozeane eine
eisenreiche Schicht an, von der aus Diapire aus Eisenschmelze
in die Tiefe absanken. Wenn die zur Entstehung des Mondes
führende Kollision nicht die einzige, sondern nur die letzte
Phase der Kernbildung war, erklärt dies zugleich den ver-
gleichsweise geringen Eisengehalt des Mondes.
Vielleicht begann die Kernbildung noch viel früher. Neue
Experimente belegen, dass auch geringe Mengen an Eisen-
schmelze durch ein entsprechendes Gestein wandern können,
demnach kann die Kernbildung schon in Planetesimalen mit
Durchmessern ab etwa 30 km einsetzen (Yoshino et al. 2003).
Es ist also möglich, dass die Erde aus Planetesimalen zusam-
mengesetzt wurde, die bereits einen Kern hatten.
Die Erdkruste entwickelte sich erst später durch Magmatismus
aus dem frühen »primitiven« Mantel. Von den ältesten Krusten-
gesteinen ist allerdings nichts erhalten, die heutige Kruste
ist das Ergebnis des langfristigen Magmatismus einerseits
und des wiederholten Recyclings im »Kreislauf der Gesteine«
im Rahmen der Plattentektonik andererseits.
Da Chondrite das beste Modell für die Zusammensetzung
der Gesamterde sind, werden Elementgehalte, insbesondere in
magmatischen Systemen, häufig relativ zur chondritischen
Zusammensetzung angegeben. Diese Normierung macht es
leicht, Fraktionierungsprozesse abzulesen. Selbstverständlich
gibt es unterschiedliche chondritische Meteorite, die aus
unterschiedlicher Tiefe aus unterschiedlich großen Planetesi-
malen stammen und entsprechend schon eine geringe Frak-
tionierung erlebt haben. Derzeit gelten kohlige Chondrite
vom CV3-Typ als bestes Modell für die Erde. Zu diesem Typ ge-
hört der 1969 in Mexiko gefallene Meteorit Allende.
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