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Kasten 1.9 Das Massaker von Marikana
Südafrika gilt inzwischen als das Land mit der größten sozialen
Ungleichheit, die Lage hat sich seit dem Ende der Apartheid
sogar noch verschlechtert. Die Ungleichheit macht auch
vor der Bergbauindustrie nicht halt, wo hohe Profite niedrigen
Löhnen und häufigen Arbeitsunfällen gegenüberstehen.
In einer Streikwelle 2012 gerieten die Kämpfe um höhere
Löhne außer Kontrolle. Dass die regierungsnahe Gewerkschaft
NUM versuchte, Lohnkämpfe zu unterdrücken, dürfte daran
liegen, dass sich aus der Führung des regierenden ANC eine
Oligarchie gebildet hat, die zum Teil direkt vom Bergbau pro-
fitiert. Dem gegenüber stand die kleinere Gewerkschaft AMCU,
die wilde Streiks organisierte. In der Platinmine Rustenburg
konnte so eine Lohnsteigerung um 125 % durchgesetzt
werden. Wenige Monate später wurde die Platinmine Marikana
bestreikt, was die NUM als kriminellen Akt bezeichnete. Der
Gründer und ehemalige Vorsitzende dieser Gewerkschaft saß
delikaterweise im Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft, er
forderte in E-Mails, dass die Polizei hart gegen die »Krimi-
nellen« vorgehen solle. Innerhalb weniger Tage starben in den
Auseinandersetzungen zehn Menschen, darunter Bergleute,
Gewerkschafter und Polizisten.
Am 16. August 2012 umstellte die Polizei die auf einem Hügel
versammelten Streikenden. Nach der offiziellen Version
schossen die Polizisten mit automatischen Waffen, nachdem
sie mit Speeren, Stöcken und Macheten angegriffen worden
waren. Dabei wurden 34 Arbeiter getötet und 78 verletzt.
Diese Version wurde später angezweifelt. Nach den Spuren,
die der investigative Journalist Marinovich untersuchte, starb
nur ein Dutzend an der von der Polizei gefilmten Stelle. Die
meisten Opfer hatten demnach versucht, vom Hügel in eine
andere Richtung zu flüchten. Sie wurden dort mit Jeeps über-
fahren oder durch aus kurzer Distanz abgegebene Schüsse in
den Rücken niedergestreckt. Während Minister und Gewerk-
schaftsfunktionäre das Vorgehen der Polizei verteidigten,
fühlten sich viele Beobachter an das Apartheid-Regime
e rinnert.
Schließlich akzeptierten die Arbeiter eine Lohnerhöhung
um 11-22 % und eine Einmalzahlung von je 2000 Rand.
Während Marikana wieder in Betrieb ging, weitete sich die
Streikwelle auf viele weitere Minen aus, im Oktober waren
75 000 Bergarbeiter in Platin-, Gold-, Eisen- und Kohleminen
im Ausstand.
Allein der enorme Flächenverbrauch von Tagebauen, Ab-
raumhalden und Schlammteichen (Tailings) birgt sozialen
Sprengstoff. Eine neue Kupfermine in der Atacamawüste stört
kaum jemanden, aber in dicht besiedelten oder landwirtschaft-
lich genutzten Gebieten ist das etwas anderes. Ein hiesiges Bei-
spiel sind die Dörfer, die dem Braunkohletagebau zum Opfer
fallen und deren Bewohner umgesiedelt werden. In armen Län-
dern wird häufig das Bergrecht für Flächen vergeben, für die es
kein geregeltes Eigentumsverhältnis gab, die enteignet wurden
oder die bereits offiziell in Staatsbesitz waren - Flächen, die von
der dortigen Bevölkerung aber seit jeher für die Subsistenz zum
Beispiel als Weide genutzt wurden. Auf diese Weise verliert die
Bevölkerung ihre Lebensbedingungen, ohne dafür eine Entschä-
digung zu bekommen. Ähnlich problematisch sind die Auswir-
kungen für die Umwelt, wenn Wälder gerodet, Flüsse umgeleitet
und ganze Berge abgetragen werden. Das gilt insbesondere für
ökologisch sensible Regionen, zumal da Naturreservate manch-
mal für den Bergbau kurzerhand verkleinert werden. Da nicht
nur der Bedarf an Metallen steigt, sondern auch noch Erze von
immer geringerem Erzgrad abgebaut werden, wird der Flächen-
verbrauch in Zukunft noch zunehmen. Im Untertagebau ist der
Flächenverbrauch geringer, aber stattdessen kann es zu Absen-
kungen der Oberfläche und damit zu Bergschäden an Gebäuden
und Straßen kommen. Eine Sanierung oder Renaturierung von
stillgelegten Minen ist natürlich nur bis zu einem gewissen Grad
möglich, in Ländern ohne entsprechende Vorschriften wird dies
jedoch nicht einmal versucht.
Bergbau hat auch Auswirkungen auf die Wasserversorgung.
Zwangsläufig wird einsickerndes Wasser aus einem Bergwerk
gepumpt, was zur Folge hat, dass sich der Grundwasserspiegel in
der Umgebung deutlich absenkt. Dadurch können Quellen und
Brunnen trockenfallen. Aber auch flussabwärts kann die Trink-
wasserversorgung durch Kontamination des Wassers beeinträch-
tigt werden.
Die Freisetzung von toxischen und eventuell auch radioakti-
ven Stoffen in die Umwelt stellt vermutlich das größte Problem
dar. Viele Erze enthalten neben verschiedenen toxischen Schwer-
metallen auch Stoffe, die schon in Spuren giftig sind, wie Queck-
silber, Arsen oder Kadmium. Erze mit geringem Erzgrad landen
auf Abraumhalden und alle Stoffe, die nicht profitabel gewonnen
werden können, in Rückständen der Aufbereitung, die in
Schlammteichen sedimentiert werden, und in Schlacken. Pro-
blematisch sind auch Abgase der Verhüttung, wenn diese nicht
ausreichend gefiltert werden. Manche dieser Stoffe können in
Wasser gelöst werden oder als Schwebeteilchen von Wasser
transportiert werden, andere werden als Staubpartikel vom Wind
verfrachtet. Zum Beispiel ist das chilenische Bergbaustädtchen
Chuquicamata derart mit Arsen und anderen giftigen Stoffen
kontaminiert, dass die Bewohner 2004 nach Calama umgesiedelt
wurden - wobei als zweiter Grund hinzukam, dass auch unter
der Stadt Kupfererz liegt, sodass die jetzt leer stehende Geister-
stadt eines Tages dem Tagebau weichen wird.
Durch Maßnahmen wie eine Abdichtung der Schlammteiche
und die Verwendung von entsprechenden Filtern können die
Folgen verringert werden. Ähnliches gilt für Chemikalien wie
Cyanide, die zur Laugung verwendet werden. Diese werden zwar
nach Möglichkeit zurückgewonnen, gelangen aber in geringer
Menge ebenfalls in die Schlammteiche. Besonders gefährlich ist
es, wenn der Damm eines Schlammteichs bricht. Dann können
schlagartig große Mengen an kontaminiertem Wasser freigesetzt
werden, oder der mit Schwermetallen belastete Schlamm fließt
als zementartiger Schlammstrom aus. Aus dem Schlammteich
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