Geology Reference
In-Depth Information
Wenn die Methode so aufwendig ist und dazu auch noch
Risiken birgt, warum sollte man sie also anwenden? Zum einen
leben wir in einer Welt, die in höchstem Maße von der Verfügbar-
keit fossiler Energiequellen abhängig ist. Der Energiehunger der
Welt hat schlicht dazu geführt, dass die bekannten und leicht er-
reichbaren fossilen Kohlenwasserstoffquellen der Erde mehr oder
weniger ausgebeutet sind. Um den immer noch wachsenden Be-
darf an günstiger Energie zu decken, müssen sich die Förderfirmen
nicht nur in immer weiter abgelegene Regionen begeben, sondern
auch zunehmend aufwendigere Fördertechniken entwickeln, um
immer schwieriger zu fördernde Quellen zu erschließen. Und hier
kommen die neuen, als unkonventionell bezeichneten Quellen
ins Spiel, wie zum Beispiel Schiefergas und Schieferöl. Da es
immer schwieriger wird, herkömmliche Vorkommen zu finden,
rücken auch die Muttergesteine, aus denen die Kohlenwasser-
stoffe noch nicht entweichen konnten, in den Fokus der Explora-
tionsgeologen. Wir befinden uns in einer vergleichbaren Situa-
tion wie ein Mensch, der sich bislang aus einem Korb voller Äpfel
ernährt hat und nun hungrig feststellen muss, dass dieser fast leer
ist. Der Blick schweift zu den Apfelbäumen in der Nähe, aber die
sind so hoch, dass man erst einmal eine Leiter braucht. Und das
Äquivalent dieser Leiter ist das Fracking.
Die Idee, Lagerstätten für Gas oder für hydrothermale Ener-
giegewinnung mithilfe von eigens erzeugten Mikrorissen zu er-
schließen, ist nicht unbedingt neu. Bereits 1947 wurde Hydraulic
Fracturing zum ersten Mal experimentell eingesetzt, die erste
kommerzielle Nutzung erfolgte 1949 (Montgomery & Smith
2010). Im Raum Cloppenburg wird seit rund 35 Jahren mithilfe
von Hydraulic Fracturing tight gas gefördert (Ewen et al. 2011).
Kaum eine andere Fördertechnik für fossile Energierohstoffe
steht so in der Kritik wie das Hydraulic Fracturing. Die Haupt-
sorge vieler Menschen besteht in der Verwendung der Zusätze
für die Fluide beziehungsweise deren Verbleib. Dazu haben auch
populäre Filme wie Gasland des Filmemachers Josh Fox von 2010
beigetragen. Sie zeigen drastische Bilder, unter anderem Szenen
aus Colorado, in denen aus einem Wasserhahn kommendes
Wasser mit einem Feuerzeug entflammt wird. Leider wird in dem
Film die Tatsache verschwiegen, dass es durchaus natürliche
brennende Quellen gibt, in denen brennbares Erdgas im Wasser
gelöst ist und bei Druckentlastung freigesetzt wird, zum Beispiel
in West Virginia und Kentucky (USA) sowie in Aserbaidschan.
Und schon 1976, also deutlich vor dem Beginn der Fracking-
aktivität in der betreffenden Region, hat die Colorado Division
of Water festgestellt, dass auch dort das Wasser teilweise brenn-
bare Gase enthält (Watts 2011, Ecomides 2011, Lingenhöhl
2011). Der Film hat ein weites Publikum erreicht und sicher zu-
mindest in Deutschland die kritische Debatte über die unkon-
ventionelle Gasförderung angeheizt.
Probleme beim Hydraulic Fracturing bereiten in erster Linie
die Zusätze für die Fracfluide, von denen, wie bereits oben ange-
sprochen, einige nicht in den freien Kontakt mit der Umwelt
kommen sollten, da sie toxisch oder krebserregend sind. Und
normalerweise sollte sich das auch vermeiden lassen, aber es gibt
da ein paar problematische Stellen. Zum einen sind die Lagerstät-
ten vielleicht durch große Gesteinspakete von den Grundwasser-
leitern getrennt, aber natürlich müssen, bevor man die dort un-
ten lagernden Bodenschätze heben kann, erst einmal der Bohrer
Abb. 6.30 Verbrauchte » perforating gun «. Damit werden durch
Sprengsätze kleine Löcher in das Casing geschossen, an denen
anschließend mit der Fracking-Flüssigkeit Druck aufgebaut wird.
© Bill Cunningham, USGS.
werden. Weitere Methoden bei der Suche nach Öl und Gas sind
Kernspinresonanz und direkte hydraulische Messungen sowie
die Entnahme von Gesteinsproben.
Bleibt als nächstes Problem die geringe Permeabilität des Ge-
steins. Wenn man ein Loch hineinbohren würde, dann könnte nur
das direkt beim Bohren betroffene Gestein seine eingeschlossene
Fracht freisetzen, anders als in permeablen Speichergesteinen.
Wird das Gestein aber mit feinen Rissen durchsetzt, kann eine sehr
viel größere Menge der vorher eingeschlossenen Stoffe gefördert
werden. Dafür muss der Druck der in das Bohrloch gepressten
Flüssigkeit die Spannung, die im zu frackenden Bereich anliegt,
überschreiten ( . Abb. 6.30 ). Im Normalfall wird als Frackingflüs-
sigeit Wasser verwendet. Allerdings reicht Wasser alleine nicht aus,
denn es genügt nicht, einfach Risse im Gestein zu erzeugen, diese
müssen auch lange genug offen gehalten werden, um die einge-
schlossenen Stoffe fördern zu können. Das Gewicht des überla-
gernden Gesteinspakets von gut 1000 m sorgt schnell dafür, dass
sich die gerade entstandenen Risse schnell wieder schließen.
Aus diesem Grund werden dem Wasser diverse chemische
Zusätze beigemischt, die alle als mehr oder weniger umwelt-
schädlich gelten und deren genaue Zusammensetzung die ent-
sprechenden Firmen meist als Betriebsgeheimnis ansehen. Der
unproblematischste Zusatz ist Sand, der dazu dient, die einmal
erzeugten Risse offen zu halten. Andere Stoffe wie zum Beispiel
Butyldiglykol sollen die Tragkraft von Wasser für Sand erhöhen.
Säuren sollen das angetroffene Gestein lösen und so Risse erzeu-
gen helfen, Polyacrylamide reduzieren die Reibung zwischen
dem Gestein und dem Fördergut. Wieder andere wie Isopropa-
nol erhöhen die Viskosität der Fluide, noch andere sollen Korro-
sion oder Ablagerungen verhindern. Unter anderem finden sich
auch Biozide in den Fracfluiden. Mit vielen der eingesetzten
Stoffe sollten Menschen nicht ungeschützt in Kontakt kommen
und eine Freisetzung der Stoffe in der Umwelt verbietet sich von
alleine. Es sind unter anderem diese Stoffe und die aus ihnen
hervorgehenden Umweltgefahren, welche das Fracking als För-
dermethode zu einem Gegenstand sehr intensiver und vor allem
sehr emotional geführter Debatten machen.
Search WWH ::




Custom Search