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Kasten 5.2 Stromatolithen: Frühes Leben sorgte für Sauerstoff in der Atmosphäre
Die geologischen Befunde, aber auch Beobachtungen der
Atmosphären unserer Nachbarplaneten legen die Vermutung
nahe, dass die Erdatmosphäre nicht immer so reich an Sauer-
stoff war, wie sie es heute ist (Ries 2007, 2010). Doch so ganz
frei von Sauerstoff wird auch die frühe Atmosphäre nicht ge-
wesen sein. Die fotolytische Spaltung von Wasserdampf in
Wasserstoff und Sauerstoff durch die Strahlung der Sonne kann
geringe Spuren von Sauerstoff freigesetzt haben. Zumal, wenn
der vergleichsweise leichte Wasserstoff das Schwerefeld der
Erde verlassen kann, noch bevor er wieder mit dem Sauerstoff
zu Wasser vereinigt wird. Dieser Prozess liefert auch eine gute
Erklärung für die rund 0,13 % Sauerstoff, die in der Atmosphäre
des Mars nachgewiesen wurden (Schultz 1993). Und dieser
geringe Gehalt an Sauerstoff war vermutlich auch notwendig,
um die frühen Phasen des Lebens vor der erhöhten Ozon-
strahlung der noch jungen Sonne zu schützen. Vor vier bis
3,5 Milliarden Jahren war die UV-Strahlung der Sonne vermut-
lich vier- bis achtmal stärker als heute (Towe 1996).
Für den heute in unser Atmosphäre zu beobachtenden hohen
Gehalt von Sauerstoff von rund 21 % ist aber eine »Erfindung«
des Lebens verantwortlich, die Fotosynthese. Lebewesen
können unter Verwendung von Sonnenlicht aus Kohlendioxid
und Wasser den als Energiequelle dienenden Zucker herstellen.
Sauerstoff wird dabei quasi als Abfallprodukt frei. Die Evolution
von Sauerstoff produzierenden und Fotosynthese treibenden
Cyanobakterien dürfte vermutlich eines der einschneidenden
Ereignisse in der Geschichte des Lebens und der Erde gewesen
sein. Sauerstoff ist ein potentes Oxidationsmittel, und seine
massenhafte Freisetzung hat die chemischen Bedingungen
auf der Erdoberfläche grundlegend verändert (Holland 2002).
Damit wurden ganz andere Wege des Stoffwechsels ermöglicht.
Keines der Lebewesen, welche diese Prozesse verwenden,
hätte vor der Entwicklung der Cyanobakterien überleben
können. Den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem in der
Evolution die Fotosynthese »erfunden« und die Produktion von
Sauerstoff aufgenommen wurde, ist mit einigen Problemen
verbunden. Zum einen sind die Gesteine, die uns über diese
ferne Zeit Auskunft geben, rar, und wenn sie überliefert wurden,
dann sind sie nicht unverändert. Zum anderen sind Hinweise
oft nicht eindeutig, es gibt es auch einige alternative Prozesse,
um die Ablagerungen zu erklären. Daher richtet sich das Haupt-
augenmerk auf die frühesten Nachweise von Stromatolithen.
Anfangs verblieb der Sauerstoff überwiegend durch Fällungs-
reaktionen in marinen Sedimenten. Ab wann und wie schnell
der Sauerstoffgehalt dann auch in der Atmosphäre anstieg, ist
eine weitere umstrittene Frage.
Stromatolithen sind fein laminierte biogene Karbonatgesteine
(
Abb. 5.10). In sogenannten »Algenmatten« lebende Mikro-
organismen wie Cyanobakterien fällen im Wasser gelöste Stoffe
aus, vorhandene Sedimentpartikel werden dabei zementiert.
Die innere Struktur der sehr fein geschichteten Kalksteine oder
Dolomite ist verschieden: flache, ebene Schichten, nach oben
gewölbte Schichten oder mehrere gewölbte Schichtpakete
nebeneinander (Säulenform). Die ersten Stromatolithen kennt
man von der 3,45 Milliarden Jahre alten Warrawoona-Gruppe
in Westaustralien (Lowe 1980), ähnlich alt sind die komplexen
Stromatolithen aus der Swasiland-Supergruppe (Byerly et al.
1986). Aus demselben Zeitraum werden erste Hinweise auf
freien Sauerstoff im Meerwasser gesehen (Hoashi et al. 2009).
In rund drei Milliarden Jahre alten Sedimenten der Pongola-
Supergruppe in Südafrika finden sich Stromatolithen mit einer
großen Vielfalt an morphologischen Typen. Allerdings gibt es
auch abiotische Erklärungsmodelle für stromatolithähnliche
Strukturen (Grotzinger & Rothman 1996) und vielleicht wurden
manche durch anoxische Bakterien abgelagert. Es ist daher
fraglich, ob die ältesten, stromatolithähnlichen Strukturen
wirklich auf die Anwesenheit von Cyanobakterien deuten. Das
erste wirklich gesicherte Auftreten ist in 2,7 Milliarden Jahre
alten Gesteinen (Brocks et al. 1999, Buick 2008) und spätestens
vor 2,2 Milliarden Jahren muss sich die grundlegende Verände-
rung der Atmosphäre vollzogen haben, wie die ältesten erhalte-
nen roten Paläoböden zeigen (Beukes et al. 2002).
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Abb. 5.10 Schnitt durch einen Stromatolithen aus dem Quartär, vom Natronsee in Tansania. © F. Neukirchen.
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