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hatte das Magma die extreme agpaitische Zusammensetzung er-
reicht.
Khibina und Lovozero stehen für den zweiten Trend. Bei
diesen war die Ausgangsschmelze ein Nephelinit, der möglicher-
weise von Anfang an peralkalisch war. Da in diesem Fall kein
Plagioklas fraktioniert wurde, blieb der Kalziumgehalt hoch.
Ab wann die Schmelze so stark angereichert ist, dass kom-
plexe Agpaitminerale gebildet werden, ist unter anderem vom
Gehalt an Na, K, Ca, H 2 O und Cl abhängig (Marks et al. 2011).
Die Seltenheit agpaitischer Gesteine lässt erahnen, dass besonde-
re Bedingungen herrschen müssen, um eine derartige extreme
Anreicherung überhaupt zu ermöglichen. Wie wir gleich sehen
werden, spielt die Entwicklung der Sauerstofffugazität eine wich-
tige Rolle. Wichtig ist auch, dass es zu keiner nennenswerten
Kontamination mit Krustengesteinen kommt. Wenn bereits
weniger extreme Zusammensetzungen auf demselben Weg auf-
gestiegen sind und diesen sozusagen versiegelt haben, können
die agpaitischen Schmelzen ihre extreme Zusammensetzung
beim Aufstieg behalten.
Auch darf es nicht zu einer frühen Freisetzung von Wasser
kommen, weil dabei Na + , Cl - , F - und diverse seltene Elemente
teilweise verloren gehen würden. Die Ausgangschmelze muss
also wasserarm sein. Erstaunlicherweise haben agpaitische Ge-
steine häufig kein H 2 O-CO 2 -Fluid, sondern enthalten stattdes-
sen Methan und andere Kohlenwasserstoffe. In Khibiny kommt
Methan sowohl als freies Gas in den Gesteinsporen als auch in
Einschlüssen innerhalb der Minerale vor, das Gas tritt auch an
der Oberfläche aus (Nivin et al. 2005, Ryabchikov & Kogarko
2006). Die meisten Forscher gehen davon aus, dass es in Khibina
beim Abkühlen des Gesteins durch eine Reaktion entstand, die
der Fischer-Tropsch-Synthese entspricht. Demnach setzte die
Hydratisierung bestimmter Minerale H 2 frei, das mit dem noch
vorhanden magmatischen CO 2 reagierte:
kaum vorhanden ist. Die verbliebene Schmelze wird dabei noch
reduzierter. Um das notwendige Fe 3+ bereitzustellen, ist ein
Sauerstoffdonator notwendig, daher wird nach obiger Reaktion
Methan gebildet. Die Folge ist, dass kein Wasser aus dem Magma
freigesetzt werden kann und es somit auch nicht zu einem Verlust
an Natrium, Chor, Fluor und so weiter kommt. Dieser Prozess
dürfte eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung der
extrem angereicherten agpaitischen Schmelzen gewesen sein.
Experimente bestätigen, dass in einer reduzierten und wasser-
freien Schmelze eine entsprechende Anreicherung erfolgen kann
(Giehl et al. 2013), was auch daran liegt, dass es unter diesen
Bedingungen zur Kristallisation anderer Minerale kommt, als
wir von »normalen« Magmen gewöhnt sind.
In Ilimaussaq nahm die Sauerstofffugazität während der Fak-
tionierung innerhalb der agpaitischen Intrusion wieder leicht zu.
Schließlich wurde aus der letzten Restschmelze doch noch Was-
ser freigesetzt, was zur Bildung von hydrothermalen Adern mit
extremer Zusammensetzung geführt und in manchen Gesteinen
für eine zusätzliche Anreicherung gesorgt hat.
3.11.1
Ilimaussaq
Der 1,16 Milliarden Jahre alte Ilimaussaq-Komplex (Sørensen
2001, Markl et al. 2001) in Südgrönland ist das klassische Beispiel
für agpaitische Gesteine und die Typlokalität unzähliger Mine-
rale. Es handelt sich um die am extremsten fraktionierte unter
vielen anderen alkalinen Intrusionen des Gardar-Grabensys-
tems. Vier Magmapulse (Sørensen 2001) drangen nacheinander
in eine Tiefe von 3-4 km ein ( . Abb. 3.55 ). Diese Magmen wer-
den auf die in größerer Tiefe ablaufende Fraktionierung eines aus
dem angereicherten Mantel stammenden Alkalibasaltmagmas
zurückgeführt, wobei die Zusammensetzung von einer Intrusion
zur nächsten einer immer stärkeren Fraktionierung entspricht.
Mit Ausnahme des zweiten Pulses (Alkaligranit) gab es keine
nennenswerte Kontamination durch Krustengesteine (Marks et
al. 2004). Die einzelnen Plutone bestehen wiederum ebenfalls aus
unterschiedlich stark fraktionierten Berei chen.
Der erste Puls war ein Augitsyenit (Marks & Markl 2001)
mit noch relativ normaler (miaskitischer) Zusammensetzung.
Ungewöhnlich ist vor allem, dass die stärker fraktionierten
Partien eine extrem geringe Sauerstofffugazität haben. Dieses
Gestein kommt an den Rändern und im Dach des Komplexes
vor. Der zweite Puls war ein Alkaligranit, wobei vermutlich
die Assimilation von Krustengesteinen zur Quarzübersättigung
geführt hat.
Der dritte und vierte Puls waren extrem stark fraktionierte
agpaitische Magmen. Diese entwickelten eine ausgeprägte mag-
matische Schichtung unterschiedlich zusammengesetzter Kris-
tallkumulate (siehe auch 7 Abschn. 3.3 ). Zuerst kristallisierte die
»Dachserie«, die von oben nach unten erstarrte (in der Reihen-
folge Pulaskit, Foyait, Sodalith-Foyait, Naujait, wobei Ersterer
überwiegend aus Alkalifeldspat besteht und die anderen wech-
selnde Gehalte an Foiden, Ägirin, Arfvedsonit, Eudialith und
so weiter haben). Das größte Volumen hat dabei Naujait ( . Abb.
3.56 ), der als ein »Flotationskumulat« angesehen wird: Er besteht
zu einem guten Teil aus Sodalith, der sich aufgrund seiner gerin-
C O 2 + 4 H 2 = CH 4 + 2 H 2 O
Bestimmte Mineraloberflächen im Gestein dürften dabei als
Katalysator funktionieren. Da CH 4 und H 2 O nicht mischbar
sind, steigt das Gas auf, während das Wasser mit weiteren Mine-
ralen reagiert und weiteres H 2 freisetzt. Eventuell gab es in gerin-
ger Menge bereits magmatisches Methan.
In Ilimaussaq bestehen bereits die Einschlüsse in früh-
magmatischen Mineralen aus Methan anstelle von H 2 O-CO 2
(Krumrei et al. 2007). Das ist nur möglich, weil das Magma
extrem reduziert war, entsprechend der Reaktion
C O 2 + H 2 O = CH 4 + O 2
Tatsächlich finden sich in Ilimaussaq Gesteine, die zu den am
stärksten reduzierten gehören, die wir kennen. Nach Markl et al.
(2010) spielt bereits die Art der Anreicherung im Mantel eine
Rolle für den Redoxzustand des Magmas, wobei eine natrium-
betonte Anreicherung zu stärker reduzierten Magmen führt als
eine kaliumbetonte Anreicherung. Bei der Fraktionierung dieser
Schmelze führen der hohe Na-Gehalt und niedrige SiO 2 -Gehalt
irgendwann zur Kristallisation von Ägirin oder Arfvedsonit -
obwohl diese Fe 3+ enthalten, welches im reduzierten Magma
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