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Greifen Sie sich Ihr Gucci-Täschchen und schlüpfen Sie in Ihre Manolo-Blahnik-Schuhe!
Denn SoHo, wo mittlerweile fast jede Boutique wenigstens einen Downtown-Ableger un-
terhält, ist wie eine große Bühne: Man präsentiert sich und schaut anderen dabei zu. Mit-
ten unter Ihnen ist die von Galerie zu Galerie hoppende Kunstschickeria - bzw. das, was
davon übrig geblieben ist: Zwar ist SoHo immer noch ein Viertel mit enormem kreativen
Potential, aber große Teile der Künstlerkarawane sind inzwischen wegen der hohen Mi-
eten nach Chelsea oder ins benachbarte TriBeCa weitergezogen.
SoHo umfasst ungefähr eine Quadratmeile. Der Stadtteil war vor seiner Neuerfindung als
hippes Galeristenviertel unter dem Namen South Village bekannt. Anfang des 19. Jh. hatte
sich hier noch weitgehend Ackerland ausgebreitet, danach wurde das Gebiet zum Wohn-
viertel frei gewordener Sklaven. Später entwickelte sich das South Village dann zur be-
liebten Adresse der Upper Class, der teure Läden und Kaufhäuser wie Lord & Taylor oder
Tiffany folgten. Dann jedoch zog das gehobene Bürgertum nordwärts, und South Village
lag im Niemandsland zwischen dem alten Zentrum (Downtown) und dem neuen, auf-
strebenden Zentrum (Uptown). In den verlassenen Straßenzügen wurden Warenhäuser,
Fabriken und Büros gebaut. Weil es die billigste Konstruktionsweise war, arbeitete man
mit vorgefertigten, reich ornamentierten Gusseisenfassaden (cast-iron), von denen die
meisten heute denkmalgeschützt sind. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es mehr Zeugn-
isse dieser Bauweise als in SoHo.
Die Spuren des Verfalls waren bald nicht mehr zu übersehen. Während die Bausubstanz
bröckelte, standen die Holzfußböden und Balken der Warenhäuser so oft in Flammen,
dass die Neighborhood als Hell's Hundred Acres (Hundert-Hektar-Hölle) in Verruf kam.
Die Stadtverwaltung beschloss entnervt, das ganze Viertel abreißen zu lassen. Doch hatte
sie nicht mit den Künstlern und Galeristen gerechnet, die inzwischen illegal in die großen
Fabriketagen eingezogen waren. Heute bekannte Künstler wie Chuck Close, Frank Stella,
Richard Serra und Cindy Sherman lebten alle in solchen Hippie-Studios, die mit den
Buchstaben AIR für Artist in Residence gekennzeichnet waren, damit die Feuerwehr auch
zum Löschen kam und nicht fälschlicherweise Leerstand vermutete und untätig blieb. Der
Protest der Kreativen fruchtete, und 1971 wurde SoHo offiziell zum residential, zum
Wohngebiet, erklärt (→ Kasten). In Anlehnung an den Künstlerbezirk in London bekam
der Stadtteil einen neuen Namen: South of Houston, kurz SoHo.
Nachdem die Künstler und Galeristen SoHo vor dem Abriss gerettet hatten, dauerte es gar
nicht lange, und der rebellische Schick des Viertels zog immer mehr Gutbetuchte in die
Lofts. Die astronomischen Preise verdrängten schließlich ausgerechnet die kreativen
Pioniere vom Markt, denen SoHo seinen Erfolg zu verdanken hatte. Dieses vielerorts zu
beobachtende Phänomen wird seitdem der SoHo-Effekt genannt. Heute hat SoHo mit die
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