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Die weltberühmte Institution des Kapitalismus, die die Wall Street zum Synonym für
Geldwirtschaft und Gier gemacht hat, steht in römischer Anmut gegenüber. Leider ist die
New York Stock Exchange (NYSE)
seit dem 11. September 2001 für Besucher nicht
mehr zugänglich. Dank der glasfaservernetzten Supercomputer, die inzwischen 90 % des
Aktienhandels abwickeln, ist dort allerdings sowieso nicht mehr viel zu sehen. In
Boomzeiten arbeiteten hier mehrere tausend Händler täglich, heute sind es noch rund 300.
Die New Yorker Börse geht auf das Jahr 1792 zurück, als sich unter einem Bergahorn
(buttonwood) auf der Broad Street 24 Makler trafen, um mit Regierungsanleihen zu han-
deln, die die Amerikanische Revolution finanzieren sollten. Das sog. Buttonwood Agree-
ment, das ihren Handel regelte, ging als der offizielle Beginn des amerikanischen Börsen-
handels in die Geschichte ein. Die Händler zogen dann in ein Kaffeehaus an der Ecke
Water und Wall Street um, bis im Jahr 1865 in der Broad Street Nr. 20 das erste Börsenge-
bäude errichtet wurde. Das jetzige Gebäude im klassizistischen Design von George B.
Post mit seinen imposanten korinthischen Säulen wurde 1903 eingeweiht. Der Komplex
erstreckt sich auf die Blöcke Wall, Broad und New Street. 20.000 Menschen kamen am
Eröffnungstag, war doch der Trading Floor einer der beeindruckendsten Räume, die man
je gesehen hatte. Er misst 33 mal 43 m, hat 21 m hohe Wände aus Marmor und eine ver-
goldete Stuckdecke. Beleuchtet wird er durch ein 10 m2 großes Oberlicht. Es gibt alle
möglichen Annehmlichkeiten wie getrennte Restaurants für Raucher und Nichtraucher
oder eine Ambulanz, in der rund um die Uhr ein Arzt Dienst tut. Von der Anzeigentafel
verlaufen 38 km Kabel in die Büros und Schaltstellen der Macht. Seit den 1870er Jahren
beginnt der Handel täglich mit dem Klingeln der opening bell; er endet, wenn die closing
bell ertönt. Seit März 2006 ist die NYSE selbst an der Börse notiert, 2007 fusionierte die
NYSE mit der europäischen Mehrländerbörse Euronext, um noch globaler auf den Welt-
märkten agieren zu können. Sie betreibt den weltweit größten Marktplatz für börsen-
notierte Produkte und repräsentiert mit der New Yorker Börse, der NYSE Euronext, der
NYSE Amex, der NYSE Alternext und der NYSE Arca ein Drittel des weltweiten Aktien-
handels. Zur Zeit der Recherche wollte die US-Derivatenbörse Intercontinental Exchange
(ICE) Nyse Euronext für 8,2 Milliarden Dollar kaufen. Die Aktionäre beider Unterneh-
men sowie die EU-Kommission haben dem Deal bereits zugestimmt. Im Rahmen der
Transaktion sichert sich die ICE auch die Nyse-Derivatetochter Liffe aus London. Die
Nyse-Tochter Euronext, die überwiegend im Aktien-Handel in Paris, Amsterdam, Brüssel
und Lissabon aktiv ist, soll abgespalten und selbst an die Börse gebracht werden. Eur-
onext wurde zu dem Zeitpunkt mit 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro bewertet, 80 der 100 welt-
größten Firmen sind hier notiert.