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nur animalisches) Belohnungssystem ist aber wieder ein Irrglaube und
eitel dazu. Warum sollte es so ein Muster geben, und ausgerechnet
hier?
Es gibt Momente, die auf einen gewissen Fortschritt hinzuweisen
scheinen. Wenn die Tränen - die täglichen, unvermeidbaren Tränen -
aufhören. Wenn die Konzentration wiederkehrt und man ein Buch lesen
kann wie früher. Wenn die Foyer-Panik schwindet. Wenn man sich von
Besitztümern trennen kann. (Orpheus hätte, wenn alles anders gekom-
men wäre, dieses rote Kleid einer wohltätigen Einrichtung gespendet.)
Und darüber hinaus? Worauf wartet man, wonach sucht man? Nach der
Zeit, wenn sich das Leben von einer Oper wieder in einen realistischen
Roman verwandelt. Wenn diese Brücke, unter der man weiterhin re-
gelmäßig hindurchfährt, wieder nur eine einfache Brücke wird. Wenn
man im Nachhinein die Ergebnisse der Prüfung annulliert, die einige
Freunde bestanden haben, andere aber nicht. Wenn die Versuchung
zum Selbstmord endgültig verschwindet - falls das je geschieht. Wenn
Fröhlichkeit und Freude wiederkehren, auch wenn man weiß, dass die
Fröhlichkeit fragiler geworden ist und die jetzigen Freuden sich nicht
mit den vergangenen messen können. Wenn Leid »nur noch« die Erin-
nerung an Leid ist - falls das je geschieht. Wenn die Welt wieder »nur
noch« die Welt ist und das Leben sich wieder so anfühlt, als verlaufe es
auf breiten Stufen, auf ebenen Bahnen.
Das hört sich vielleicht nach klaren Markierungen an, nach Kästchen
zum Ankreuzen. Aber jeder kleine Erfolg geht mit viel Versagen, vielen
Rückfällen einher. Manchmal möchte man weiter den Schmerz
genießen. Und dann zeichnet sich, dahinter, eine weitere Frage deut-
lich auf den Wolken ab: Ist »Erfolg« im Leiden, im Trauern, im Kummer
eine Leistung oder nur ein neuer, gegebener Zustand? Denn die Idee
eines freien Willens ist hier anscheinend nicht relevant; die Unterstel-
lung von Absicht und Tugend - die Vorstellung, Trauerarbeit würde
belohnt - wirkt fehl am Platz. Vielleicht stimmt diesmal die Analogie
zu einer Krankheit. Wie Studien an Krebspatienten zeigen, sind die
Auswirkungen der inneren Einstellung auf das klinische Ergebnis sehr
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