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Als ehemaliger Lexikograf denke ich eher deskriptiv als präskriptiv. Die
englische Sprache ist seit jeher im Fluss; es gab kein goldenes Zeital-
ter, in dem ein Wort und seine Bedeutung deckungsgleich waren und
die Sprache fest und erhaben stand wie eine Trockenmauer: Wörter
werden geboren, leben, verfallen und sterben - da macht einfach das
sprachliche Universum seine Arbeit. Doch als Schriftsteller und eng-
lischsprachiger Bürger mit den üblichen Voreingenommenheiten kann
ich grummeln und klagen wie jeder andere auch: etwa wenn die Leute
meinen, »dezimieren« bedeute »massakrieren«, oder vergessen, dass
» disinterested « im Englischen nicht nur »uninteressiert« heißt, son-
dern sich auch als »neutral, objektiv« nützlich macht. Heute stoße
ich mich, wie bei »von uns gegangen« und »dem Krebs erlegen«, am
falschen Gebrauch des englischen Adjektivs » uxorious « für einen
»liebenden Gatten«. Wenn wir nicht aufpassen, bezeichnet das bald ein-
en »Mann, der viele Frauen hat« oder gar (äußerst zweideutig) einen
»Mann, der die Frauen liebt«. Das bedeutet es nicht. Es bezeichnet -
und das wird immer so bleiben, egal, was künftige Wörterbücher alles
zulassen - einen Mann, der seine Frau liebt. Einen Mann wie Odilon
Redon, der seine Frau Camille Falte dreißig Jahre lang verehrte und
malte. 1869 schrieb er:
Das Wesen eines Mannes zeigt sich an seiner Gefährtin oder Ehefrau. Jede Frau erklärt
den Mann, von dem sie geliebt wird, und umgekehrt: Er erklärt ihren Charakter. Nur sel-
ten indet ein Beobachter keine Vielzahl von innigen und zarten Verbindungen zwischen
ihnen. Ich glaube daran, dass das größte Glück immer aus der größten Harmonie her-
vorgeht.
Das schrieb er nicht als selbstzufriedener Ehemann, sondern als ein-
samer Beobachter und neun Jahre bevor er Camille überhaupt
begegnet war. Sie heirateten 1880. Achtzehn Jahre später meinte er
rückblickend:
Ich bin überzeugt davon, dass das Ja , das ich am Tag unserer Hochzeit aussprach, Aus-
druck der vollkommensten und unzweifelhaftesten Gewissheit war, die ich je empfunden
habe. Einer Gewissheit, die absoluter war als jede Gewissheit, die ich je im Hinblick auf
meine Berufung empfand.
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