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dem Tod hätten wir sowieso nicht bekommen. Aber wir haben den Ast
abgesägt, auf dem wir saßen. Und die Aussicht von dort oben, aus der
Höhe - selbst wenn es nur die Illusion einer Aussicht war -, war gar
nicht so schlecht.
Wir haben die Höhe Gottes verloren und die Höhe Nadars gewonnen;
aber wir haben auch die Tiefe verloren. Einstmals, vor langer Zeit, kon-
nten wir hinabsteigen in die Unterwelt, wo die Toten weiterhin lebten.
Jetzt ist auch diese Metapher für uns verloren, und wir können nur im
wörtlichen Sinn hinabsteigen: Höhlen erforschen, nach Mineralien bo-
hren und so weiter. Untergrund statt Unterwelt. Einige von uns wer-
den, wenn alles zu Ende ist, in die Erde hinabgesenkt. Nicht sehr tief,
nur knapp zwei Meter; allerdings geht der Maßstab der Tiefe verloren,
wenn man dort steht und Blumen auf einen Sargdeckel hinunterwirft,
und das Messing-Namensschild zwinkert zu einem herauf. Dann sieht
das sehr tief aus und fühlt sich sehr weit an, knapp zwei Meter.
Manche Leute lassen, wie um diese Tiefe zu vermeiden und etwas an
Höhe zu gewinnen, ihre Asche mit einer Rakete in den Himmel schick-
en: dem Himmelreich so nahe, wie es nur geht. Sarah Bernhardt und
ihre Gefährten warfen fröhlich Ballast auf die nach oben gewandten
Gesichter staunender Erdenwesen hinab - auf englische Touristen, eine
französische Hochzeitsgesellschaft. Vielleicht hat jemand, der zu einer
plötzlich am Himmel auftauchenden Rakete hochschaute, schon mal
eine Ladung menschlicher Asche frisch aus dem Krematorium ins
Gesicht bekommen. Die Reichen und Schönen werden ihre Asche in
Zukunft sicher in eine Erdumlaufbahn oder gar Mondumlaufbahn hoch-
schießen.
Eine andere Frage ist die der Abgrenzung von Leid gegen Trauer. Man
kann versuchsweise sagen, Leid ist ein Zustand und Trauer ein Prozess,
aber beides muss sich zwangsläuig überschneiden. Nimmt der Zustand
ab? Schreitet der Prozess voran? Woran erkennt man das? Vielleicht
ist es einfacher, wenn man die beiden Begrife metaphorisch aufasst.
