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racht, von einer ehrwürdigen andalusischen Señorita die Sprache des
Fächers zu erlernen: was diese Geste, jenes Verbergen, dieser leichte
Schlag wirklich bedeutete. Galanterie war ihm nicht fremd, er hatte
sie auf mehr als einem Kontinent praktiziert und fand weibliche Koket-
terie durchaus charmant. Doch eine solche Freimütigkeit, ein solches
Anerkennen des Appetits und eine solche Abneigung dagegen, Zeit zu
verlieren, hatte er noch nicht erlebt. Natürlich wusste er, dass nicht
alles ganz und gar freimütig war. So naiv war Fred Burnaby nicht, dass
er sich einbildete, er sei nur seiner einnehmenden Persönlichkeit we-
gen willkommen. Ihm war bewusst, dass Madame Sarah nicht anders
war als andere Schauspielerinnen und dass Geschenke erwartet wur-
den. Und da Madame Sarah die größte Schauspielerin ihrer Zeit war,
mussten die Geschenke entsprechend prachtvoll ausfallen.
Bis dahin hatte Burnaby bei seinen Liebeleien immer die Zügel in der
Hand gehalten: Das Mädchen sah die gewaltige Uniform vor sich, war
nervös und musste beruhigt werden. Jetzt war es genau umgekehrt,
was ihn gleichermaßen verwirrte wie erregte. Es gab kein langes Hin
und Her wegen eines Rendezvous. Er bat darum, sie gewährte es.
Manchmal trafen sie sich im Theater, manchmal kam er direkt in die
Rue Fortuny, in ein Haus, das ihm - jetzt, da er Zeit hatte, es genauer in
Augenschein zu nehmen - halb wie eine herrschaftliche Villa, halb wie
ein Künstleratelier vorkam. Da waren samtverkleidete Wände, Papagei-
en, die auf Porträtbüsten saßen, Vasen so groß wie Wachhäuschen und
ebenso viele Schlingplanzen und Hängeplanzen wie im Botanischen
Garten von Kew. Und inmitten dieses schwelgerischen Pomps lagen die
einfachen Dinge, die das Herz begehrte: Diner und Bett und Schlaf und
Frühstück. Mehr durfte ein Mann sich kaum erhofen. Er konnte sich
leben hören.
Sie erzählte ihm von ihrer Jugendzeit, ihren Kämpfen, ihrem Ehrgeiz
und ihrem Erfolg. Und von der Rivalität und Eifersucht, die dieser Er-
folg mit sich brachte.
»Man sagt mir entsetzliche Dinge nach, Capitaine Fred. Man sagt,
dass ich Katzen brate und ihr Fell esse. Dass ich Eidechsenschwänze
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