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»Ich bin gerührt, Capitaine Fred. Aber - wie soll ich sagen? Ich selbst
bin noch nicht zu einem ruhigen Leben bereit.«
Jetzt war er in Verlegenheit. Hatte sie seine Bemerkung missver-
standen?
»Sie kommen morgen wieder«, sagte Sarah Bernhardt.
»Ich komme morgen wieder«, antwortete Fred Burnaby und nahm
damit auf ganz eigene Art von ihr Abschied: eine militärische Selb-
stentlassung, verbunden mit dem eifrigen Versprechen eines Bohemi-
ens, zurückzukehren.
Sie spielte Frauen, die leidenschaftlich, exotisch, opernhaft waren - im
wörtlichen Sinn. Sie hielt Dumas' Kameliendame am Leben, nachdem
das Drama längst von Verdis La Traviata überholt worden war; und
sie war Sardous Tosca , eine Rolle, die man jetzt nur noch in der
Version von Puccini kennt. Sie war opernhaft, ohne Musik zu brauchen.
Sie hatte eine ganze Menagerie von Liebhabern wie von Tieren. Die
Liebhaber vertrugen sich ofenbar recht gut miteinander, vielleicht weil
sie sich in der Menge sicherer fühlten, aber auch, weil die Bernhardt
es verstand, aus Liebhabern Freunde zu machen. Sie sagte einmal,
falls sie vor der Zeit sterben sollte, würden ihre Bewunderer weiterhin
regelmäßig in ihrem Haus zusammenkommen. Damit hatte sie wahr-
scheinlich recht.
Die andere Menagerie hatte in Sarahs Kindheit ganz bescheiden mit
zwei Ziegen und einer Amsel begonnen. Später ging es dort wilder
zu. Auf einer Tournee durch England kaufte sie in Liverpool einen Ge-
parden, sieben Chamäleons und einen Wolfshund. Sie hatte einen Af-
fen namens Darwin, ein Löwenbaby namens Hernani II und Hunde, die
Cassis und Vermouth hießen. In New Orleans kaufte sie einen Alligat-
or, der in Frankreich auf eine Diät von Milch und Champagner gesetzt
wurde und daraufhin starb. Sie hatte auch eine Boa constrictor, die So-
fakissen verspeiste und erschossen werden musste - von Sarah persön-
lich.
Fred Burnaby konnte ein solches Geschöpf nicht schrecken.
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