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Im Meetingraum wird der hochrangigste Anwesende als Erster begrüßt. Es ist
der Chef oder auch der Älteste in der Runde. Man erkennt ihn daran, dass er den
Platz an der Stirnseite des Tisches einnimmt oder diesen Platz mit großer Geste
einem Ehrengast anbietet. Im Meeting selbst gilt: ordentlich sitzen (die Beine
nicht übereinanderschlagen, niemandem die Sohle zeigen, nicht mit den Beinen
wippen und niemals, niemals jemanden mit dem Schuh berühren), die familiäre
Atmosphäre anerkennen und nicht gleich zum Kern der Sache kommen, an-
ständig essen und trinken. Die linke Hand bleibt dabei aus dem Spiel. Tassen,
Gläser, Cracker, Kekse, Dateln: In der Gegenwart von Emiratis wird alles mit der
Rechten zum Mund geführt. Emiratis wissen, dass Europäer dies manchmal ver-
gessen. Sie wissen auch, dass Europäer die linke Hand nicht dazu benutzen, um
sich damit auf der Toilete den Hintern abzuputzen, wie es in der arabischen Welt
üblich ist. Sie ekeln sich trotzdem, wenn jemand mit der linken Hand zugreit.
Ein Meeting ist ein wenig so wie ein Familientrefen. Man sitzt beisammen, re-
det ein bisschen über dies und das, und der Patriarch/Chef hat im Zweifelsfall
recht. Es geht bei Meetings anfangs weniger darum, sich selbst oder Produkte zu
verkaufen, sondern darum, sich kennenzulernen und herauszuinden, ob der an-
dere denn auch aus gutem Stall ist. Daher ist die Etikete so wichtig, denn unter-
schwellig entscheidet sie trotz allen Wissens um kulturelle Unterschiede darüber,
wen man ein zweites Mal trit und mit wem man einen Deal abschließt. »Fa-
miliär« bedeutet aber nicht, dass man über die Familie spricht. Sich bei emirat-
ischen Männern nach deren Frauen zu erkundigen ist haram , so tabu wie der
Harem. Trotz aller familiären Atmosphäre bleibt die eigentliche Familie reine
Privatsache. Eventuell fragen Emiratis neugierig, ob man Ehepartner und Kinder
hat, und vielleicht erzählen sie dann von den eigenen Söhnen.
Bei einer emiratischen Firma ist davon auszugehen, dass ohnehin mehrere Mit-
glieder einer Familie dort arbeiten, denn auch im Wirtschats- und
Geschätsleben ist die Familie die Keimzelle, aus der alles entsteht und nach der-
en Regeln alles funktioniert. Lieber stellt man einen Cousin ein als einen Frem-
den, lieber macht man Geschäte mit einer als »gut« geltenden emiratischen
Familie als mit indischen Einwanderern. Wenn während eines Meetings ein
Cousin oder Bruder anrut, gehen Emiratis daher selbstverständlich ans Telefon.
Sie schreiben während Präsentationen SMS oder rufen selbst jemanden an. Sie
begrüßen den hereinschneienden Sohn und Cousin. Und wenn dann doch mal
wirklich verhandelt wird, feilschen sie um jeden Euro.
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