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Die Abras sind die Verbindung zwischen den beiden ältesten Vierteln Dubais,
und mögen sie auch mit keuchenden Motoren ausgestatet sein, so sind sie doch
archaisch geblieben. Aus Holz gezimmert, dunkel verwitert, mit niedriger Bord-
wand, zielstrebig gerecktem Vorsteven und einem kleinen Sonnendach über der
Sitzläche. Nur Schwimmen wäre altertümlicher. Und doch sind die Abras keine
Folklore, sondern mitendrin in der summenden Millionenmetropole, eine
geliebte Tradition, die es erst möglich macht, in wenigen Minuten von Vorgestern
nach Übermorgen zu fahren, und dies ganz wörtlich.
Die Abra-Station in Bur Dubai liegt direkt am Souq, dem alten Markt, ein paar
Gehminuten von dem aus Lehm gebauten ersten Scheichsitz entfernt. Hier wird
zwar beim Einsteigen nicht gedrängelt, aber hektisch kann es schon werden. Pro
Kahn gibt es nur 20 Sitzplätze, und auf den nächsten mag man nicht warten, so-
dass die Männer sehr zielstrebig auf die wackeligen Planken steigen und sich
niederlassen, während die Besucher fragen, ob das auch die richtige Abra sei -
und überhaupt, weshalb ihnen meist die schlechten Plätze an den Ecken und
Stirnseiten bleiben. Wer trödelt oder innehält, um Fotos zu machen, wird vom
Bootsführer zurechtgewiesen, denn die Abra-Überfahrt ist keine Spaßreise, son-
dern der schnellste Weg, um von einem Ufer zum anderen zu gelangen. Es gibt
natürlich den ewig verstopten Autotunnel in Shindagha und die neuen Brücken
im Landesinneren, zu denen man erst durch enge Straßen hinstauen muss, aber
den Umweg über diese Wunder der Infrastrukturentwicklung macht niemand,
der nur von hier nach dort möchte. Einen Dirham kostet die Fahrt, und wer die
runde Münze nicht von selbst bereitlegt oder gar nur einen Schein dabeihat, wird
schon wieder zurechtgewiesen, in Hindi oder Urdu oder gebrochenem Englisch,
welche Sprache der Bootsführer eben gerade sprechen mag. Die zufällig auf der
Abra versammelten Fahrgäste sind ein uerschnit der Stadt: überwiegend Ein-
wanderer aus Asien, ein paar weiße Gesichter, ganz selten ein einheimischer
Emirati, der sich aus Lust an der Tradition an Bord begibt oder aus Bequemlich-
keit lieber zwischen den Einwanderern sitzt und die Zeit der Überfahrt nutzt, um
mit dem Handy zu telefonieren oder auch nur darauf herumzutippen. Es ist üb-
licherweise das neueste Smartphone-Modell, das aus der Hemdtasche gezogen
wird.
Die Einheimischen erwecken den Anschein, als wäre das Schifchen eine
Wartebank am Flughafen und als wäre dieses Panorama eine weiße Wand. Doch
gerade sie können sich daran erinnern, wie es hier gestern noch ausgesehen hat -
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