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Der Viehmarkt ist Teil des städtischen Großmarkts. Es gibt dort auch Reis,
Kichererbsen und Bohnen in großen Säcken, Tee in Kisten, Teppiche, Grünplan-
zen, Rollrasen, Saatgut, Trockenfuter für Tiere, Ziegenherden und Kühe. Die
weitläuige Anlage ist neueren Datums, blitzsauber und im beliebten traditionel-
len Design. Jeder Händler hat seinen klimatisierten Laden, auf dem Viehmarkt
ein eigenes Gater mit Futerraufen, eingestreutem Sand und Sonnendach für die
Tiere. Käufer und Verkäufer können bequem mit dem Jeep oder Truck direkt an
die Gater fahren. Ein kleines braunes Kamel will nicht aussteigen und bleibt ein-
fach auf der Pritsche liegen, brüllt aus Leibeskräten, bis ihm die Stockschläge der
Männer zu viel werden und es die langen Beine entwirrt, taumelnd aufsteht und,
noch ehe es sein Gleichgewicht indet, von der Pritsche gezerrt wird. Ein anderes
will nicht aufsteigen: Sechs starke, grimmige Männer brechen sein
Gleichgewicht, zwei andere zerren es mit einem Strick um die Gurgel auf die
Pritsche, wo es röchelnd liegen bleibt. Der Schlachthof ist in Al-Ain praktischer-
weise direkt neben dem Viehmarkt gelegen, sodass für manches Geschöpf die let-
zte Reise eine kurze wird.
Nicht tagsüber, wenn die Besucher in Bussen kommen, sondern morgens zwis-
chen sieben und neun ist die Haupthandelszeit. Handeln heißt Begutachten,
Fachsimpeln und Feilschen. Der Händler kennt seine Ware, aber die Käufer
kennen sie auch, daher bringt das Süßholzraspeln wenig mehr als ein paar Sym-
pathiepunkte. Der Einstieg beim Handeln sind etwa 1000 Euro für ein durch-
schnitliches braunes Kamel. Weiße Kamele kosten mehr. Kamelhandel ist Män-
nersache - auf dem Viehmarkt ist üblicherweise keine Frau zu sehen. Außer Be-
sucherinnen, die von den Händlern jede Menge Aufmerksamkeit bekommen, und
den einen oder anderen ordinären Spruch auf Arabisch. Aber nicht, weil hier
auch Frauen verkaut werden, sondern weil Besucher ein zusätzliches Geschät
einbringen: Trinkgelder für Fotos, größere Trinkgelder für eine Führung. Wer gut
Arabisch spricht und stolz, aber hölich autrit, erntet stat Sprüche Respekt. Auf
einem Viehmarkt im Bayerischen Wald wäre es nicht anders.
Wer sagt, dass er Kamele mag, gerne Kamelmilch trinkt und auch schon
Kamelleisch gegessen hat, dem wird nicht einmal mehr ein Trinkgeld
abgeknöpt. Die Händler nicken anerkennend. Dann zeigt einer noch etwas ganz
Besonderes: ein erst drei Stunden altes Fohlen, das auf wackeligen Beinen steht
und am Euter der Mama eifrig trinkt. Das Fohlen ist schwarz und hat lockiges
Fell. »So niedlich!«, sagt der Händler. Er lächelt.
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