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Haus sich selbst. Viele Jahre später bietet ihm die Stadtverwaltung von Dubai
eine Entschädigungszahlung für das der Entwicklung zum Opfer gefallene Haus
an: 1,5 Millionen Dirham.
Von diesen Geschichten gibt es viele in Dubai. Sie liegen unter dem Sand,
stecken in den Ritzen der ersten Betonbauten, ruhen unter dem Plaster, treiben
im Wasser und hängen von den Antennen der Hochhäuser. Sie warten darauf, bis
jemand sie indet und erindet, die Stimme erhebt und sie erzählt. Mohammad Al-
Murr ist einer der wenigen, die es tun. Es mangelt Dubai noch an großen ein-
heimischen Erzählstimmen, und das, obwohl die beduinische Erzählkunst le-
gendär ist.
Die emiratische Fernsehjournalistin Maha Gargash hat mit dem eindringlichen
»he Sand Fish« gezeigt, wie ein historischer Emirate-Roman aussehen kann,
und lässt ahnen, wie viele Geschichten noch unter dem Sand vergraben liegen.
Ganz zu schweigen vom modernen Leben. Dazu gibt es bisher nur einen Schlüs-
selroman: »Desperate in Dubai«, eine Liebes- und Afärengeschichte aus dem
modernen Leben, entstanden aus einem Blog und geschrieben von einer Jetseter-
in, die das Pseudonym Ameera Al-Hakawati benutzt. Müsste man die Romane
oder auch die Erzählungen Al-Murrs für ein literarisches Feuilleton rezensieren,
würde man die literarische ualität bemängeln, aber da beginnt er schon, der
Denkfehler zur Kultur der Emirate: Sie mit miteleuropäischen Maßstäben zu
messen ist nicht nur unfair, sondern auch fahrlässig.
Nach diesen Maßstäben würde es stimmen, was die deutschen Kulturbürger
gerne daherschnöseln: »Die haben da doch gar keine Kultur« und »Da ist doch
alles künstlich«. Zu entgegnen ist auf diese verbalen Totschläger, dass die emirat-
ische Kultur andere Wurzeln und damit aktuell auch andere Ausprägungen hat
als die europäische, und dass in Venedig im 15. Jahrhundert im selben Sinne
»alles künstlich« war. Schon bei der Wahrnehmung des Urbanen muss sich das
europäische Auge von seiner Sehgewohnheit verabschieden, wenn es Dubais Ar-
chitektur schätzen lernen möchte. Die gute alte Altstadt mit den herausgeputzten
historischen Häusern, einer schönen Kirche, einem Schloss auf dem Hügel und
erst drum herum schicke Neubauten - dieses Muster einer »sehenswerten« Stadt
gibt es in den Golfstaaten tatsächlich nicht. Hier hat man stets neue Häuser als
schön und sehenswert empfunden, weshalb die alten abgerissen und nicht kon-
serviert wurden. Es sei denn, die Bewohner haten kein Geld zum Renovieren -
nur deshalb blieb das historische Dubaier Viertel Bastakiya erhalten.
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