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den Tag-Nacht-Längen nicht sehr ausgeprägt. Obwohl die Sonne maßgeblich ist,
ertönt der Adhan nie genau zu den Auf- und Untergangszeiten oder genau zum
Mittag, denn man will Got verehren und nicht Sonnenanbeter sein.
Der Morgenruf vor Sonnenaufgang sagt Nicht-Muslimen, dass sie sich jetzt
noch einmal im Bet umdrehen können. Der zweite Gebetsruf zeigt die Mitag-
szeit an. Der drite Gebetsruf, am Nachmitag, sagt: Oh, schon so spät? Oder:
Endlich brennt die Sonne nicht mehr so brutal - jetzt noch schnell an den Strand!
Der vierte Ruf kurz nach Sonnenuntergang, zwischen 18 und 19 Uhr sagt: Ende
des Arbeitstags, ab nach Hause! Oder: Jetzt noch schnell einkaufen. Der fünte
Gebetsruf gegen 20 Uhr markiert den Beginn der Freizeit oder den Zeitpunkt, an
dem man zu einem Trefen mit Freunden losfährt. Man trit sich nicht um
20 Uhr, sondern »um kurz nach acht«, damit man nach dem Gebet oder dem Ge-
betsruf gemütlich von dort aubrechen kann, wo man gerade ist. Spielilme im
Fernsehen beginnen um 21 Uhr, Kinovorstellungen zu krummen Zeiten wie 19.35
oder 20.40 Uhr.
Einige TV-und Radiosender unterbrechen ihr Programm und senden den Ad-
han und danach ein ruhiges Musikstück oder einen besinnlichen Text. Dabei ist
der Adhan selbst schon ein besinnlicher Text und drückt die Essenz des Islam
aus.
Nach »Got ist größer« folgt im Gebetsruf: »Ich bezeuge: Es gibt keinen Got
außer dem Got. Ich bezeuge: Mohammed ist ein Gesandter des Gotes.« Diese
zwei Bezeugungen sind identisch mit dem islamischen Glaubensbekenntnis, der
Shahada . Dann folgen die aufordernden Zeilen: »Kommt zum Gebet! Kommt
zum Heil!« Danach folgt erneut: »Got ist größer, es gibt keinen Got außer Al-
lah, Got ist größer.« Beim Ruf zum Morgengebet wird noch die Zeile »Beten ist
besser als Schlafen« ergänzt.
Der Islam beeinlusst einfache und komplizierte Siten, den Speiseplan und
sogar das Bankwesen. Die Trennung zwischen Staat und Kirche, die Europa in
der Epoche der Auklärung erlebte, hat hier nicht statgefunden. Keine Säkularis-
ierung. Politik, Gesellschat und tägliches Leben sind in Arabien von der Religion
durchdrungen - oder von der Religion getragen, je nach Blickwinkel. Religion ist
nichts Privates, der Besuch in der Moschee keine Freizeitbeschätigung für das
Wochenende. Beten ist nichts Intimes, das man schamhat versteckt, sondern
Beten ist im modernen Arabien wie Essen oder Telefonieren: alltäglich, selbstver-
ständlich, lebenswichtig. Auch in den Malls ertönt der Gebetsruf, und die Gebets-
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