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auf Druck korsischer Aktivisten wiedereröfnet. Vorher haten Mitglieder der
neuen corsitude -Bewegung, was so viel bedeutet wie Bewegung für die korsische
Bewusstwerdung, in Corte Sommeruniversitäten organisiert, um ihren Forderun-
gen Ausdruck zu verleihen. Dort befassten sie sich mit korsischer Kultur,
Sprache, Geschichte und Tradition und demonstrierten gegen die Marginalisier-
ung des Korsischen, die ungerechte Machtverteilung und die systematische Ver-
nachlässigung der Insel durch die französische Regierung.
Auch jenseits aller Politik hat das Französische bis heute für viele Korsen et-
was Steifes und Gekünsteltes. In ihren Augen ist diese Sprache gut für den Job,
für Besuche auf dem Amt oder für oizielle Anlässe. Geht es aber um Privates,
um Gefühle und Gespräche im intimen Kreis der Familie, wechseln sie ins Korsis-
che - so sie es denn können. In vielen Familien, das hat eine neuere Studie
ergeben, ist es nämlich keineswegs üblich, dass Papa und Mama ihren Kindern
das gute alte Korsisch beibringen. Nicht weil sie es ablehnen, sondern weil sie es
schlicht selbst nicht mehr richtig beherrschen. Als sie jung waren, war die In-
selsprache irrelevant, wer es zu etwas bringen wollte im Leben, strebte einen Job
in der Verwaltung an oder wurde Lehrer. Und dazu brauchte man selbstverständ-
lich Französisch. Ich persönlich kann mich nicht erinnern, dass das Korsische
früher eine Rolle spielte, wenn ich als Kind mit dem Sohn des Polizisten oder des
Bürgermeisters auf dem Dorfplatz saß und Monopoly spielte. Alles fand auf Fran-
zösisch stat.
Inzwischen hat sich das gründlich geändert. Es ist »in«, Korsisch zu sprechen.
Haben junge Leute früher allenfalls zu Hause ab und an korsisch geradebrecht,
um Oma und Opa einen Gefallen zu tun, oder an der Bar, um den Touristen zu
beweisen, dass sie es mit echten Korsen (ergo echten Männern) zu tun haben,
entdecken junge Insulaner nun das Brauchtum und die Sprache wieder. Die Frage
ist nur, ob der Ehrgeiz tatsächlich so weit reicht, die Sprache perfekt zu be-
herrschen. Mein Eindruck ist, dass es eher darum geht zu demonstrieren, wie
stolz man auf seine Heimat und seine kulturellen Wurzeln ist.
Es ist ein bisschen so wie mit dem Dirndl und der Lederhose auf dem Oktober-
fest. Früher häte man junge Münchner nicht einmal unter Androhung von so-
fortigem Wiesn-Entzug dazu bringen können, eine Tracht anzuziehen. Heute
wären sie Außenseiter, würden sie sich immer noch weigern. Beiden, den Korsen
und den Bayern, geht es aber meines Erachtens nicht nur darum, Teil einer
modischen (Jugend-)Bewegung zu sein, sondern auch darum, in der Tradition
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