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Heute braucht sich der korsische Wein aber nicht mehr hinter den Reben vom
Festland zu verstecken. Längst sind viele Winzer Selbstabfüller, die sehr ordent-
liche Rot-, Weiß- und Roséweine produzieren. In Frankreich, wo man sich bekan-
ntlich viel auf seine Weinkultur einbildet, hat der korsische Wein die Nische des
Exoten besetzt. Das liegt daran, dass auf der Insel traditionelle einheimische Reb-
sorten angebaut werden, die es nirgendwo sonst gibt: Sciarcarellu, Carcaghjolu
Neru, Niellucciu (wohl identisch mit der besten Chianti-Traube, der Sangiovese,
die in die Klasse der besten Rebsorten gehört) bei den roten Trauben und Ver-
mentinu und Genovese bei den weißen. Es gibt acht Anbaugebiete, die alle das
Gütesiegel AOC tragen, das älteste und bekannteste ist Patrimonio am westlichen
Fuß des Cap Corse. Fährt man von Bastia über den Teghime-Pass wieder nach
unten, liegt die Ortschat malerisch eingebetet zwischen sant geschwungenen
Hügeln, die mit Weinstöcken beplanzt sind. Linker Hand erhebt sich das Ge-
birge, vor einem glitzert das Meer - ein Anblick, der mich immer wieder gefan-
gen nimmt.
Ich habe früher öter mal ein paar Flaschen mit nach Deutschland genommen,
in der Hofnung, ich könnte damit mein Urlaubsgefühl verlängern. Ich wurde al-
lerdings jedes Mal entäuscht: Ohne die lauen Sommernächte, die Gerüche der
Macchia und die Aromen der korsischen Küche auf der Zunge schmeckt der
Wein leider nur halb so gut. Es hat also einen Grund, warum der Großteil des
korsischen Weins nicht exportiert, sondern von Einheimischen und Touristen
direkt auf der Insel getrunken wird.
Nach einem heißen Sommertag darf es auch gerne mal ein Bier sein - seit
Mite der Neunzigerjahre sogar ein original korsisches Kastanienbier. Die Idee
dazu kam Dominique Sialelli, damals noch Manager bei France Télécom, nach
einem Konzert der Gruppe I Muvrini in Corte. Die melancholische Musik hate
sein korsisches Blut wohl derart in Wallung gebracht, dass es ihn danach nach
einem korsischen Bier gelüstete. »Gibt es nicht«, wurde ihm an der Bar kurz und
bündig beschieden, statdessen bot man ihm das allgegenwärtige Kronenbourg
an. Gibt es nicht? Gibt es nicht!, dachte sich der Exilkorse aus dem Dorf Pi-
etraserena und hängte seine Pariser Karriere an den Nagel. Zusammen mit seiner
Frau Armelle tütelte er vier Jahre lang an einer Rezeptur aus Kastanienmehl und
Malz. Freunde, denen das Paar von seinem Plan erzählte, hielten das, nun ja… für
eine Bieridee. Doch dann war es so weit, die Sialellis präsentierten der staunen-
den Inselöfentlichkeit eine Weltneuheit: Pietra, ein relativ süßes, bockbierähn-
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