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durch. Über die Jahre und mit fortschreitendem Alter mäßigen sich viele Männer
aber etwas in ihren exzessiven Trinkgewohnheiten. Einige besonders Mutige wa-
gen es inzwischen sogar, stat Pastis, Bier oder Rosé auch mal einen Sotdrink zu
bestellen - und verlieren dabei erstaunlicherweise nicht ihr Gesicht. Ein echter
Fortschrit.
Eines Tages wird wohl mein Bruder als Abgesandter unserer Familie an die Bar
gehen. Ich komme dafür leider nicht infrage, denn für Frauen an der Bar ist die
Zeit noch nicht reif. Das wird einem auf der Stelle klar, hat man sich einmal
versehentlich in so eine Pastis-Gesellschat verirrt. So zuvorkommend Korsen bei
anderen Gelegenheiten gegenüber Frauen sein können, so sehr behandeln sie sie
in diesen Männerrunden wie Lut. Sie haben dann diesen speziellen für das weib-
liche Geschlecht reservierten Blick, sie schauen einen an, ohne einen zu sehen.
Der Kopf ist in die Richtung des Gegenübers gerichtet, doch die Augen blicken
haarscharf an einem vorbei in die Ferne. Es ist schwierig, dieses Verhalten
eindeutig zu dechifrieren. Ich glaube, es ist gar nicht abwertend gemeint. Hier
vermischt sich Respekt (einer Frau, die nicht die eigene ist, geradewegs in die Au-
gen zu sehen könnte als ungehörig empfunden werden) mit dem Unverständnis,
was eine Frau denn bite schön an diesen Männergesprächen interessieren kön-
nte.
Ich kenne eine junge Frau, die eine Weile mit einem Korsen liiert war. Sie sagt,
sie habe in dieser Zeit eigentlich zwei Beziehungen geführt, eine zu dem Mann
und eine zu dessen Muter. Diese sei immer präsent gewesen, körperlich oder
geistig. Mit großer Selbstverständlichkeit habe sie sich in alle Belange ihres
Sohnes eingemischt, genauso selbstverständlich, wie sie ihn bekocht, seine
Wäsche gewaschen und hinter ihm hergeräumt habe. Die Familie war immerhin
so fortschritlich, dass die Frau bei ihrem Freund übernachten durte (auf Korsika
wohnen selbst erwachsene Kinder noch sehr lange zu Hause), allerdings nur zu
dem Preis, das dessen gesamte Großfamilie sie in Beschlag nahm. Der Höhepunkt
war erreicht, als sie eines Abends zu zweit essen gingen, es sollte ein ro-
mantisches Dinner werden. Beim Betreten des Restaurants fragte sie ihren Fre-
und, ob er einen Tisch reserviert habe. »Keine Ahnung«, antwortete dieser, »da
muss ich erst meine Muter anrufen.«
Vermutlich können sich die Korsen von ihrer Mama noch schwerer trennen als
die Italiener. Die Muter ist noch immer das Frauenideal schlechthin. Es ist kein
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