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es nicht übers Herz gebracht, madame die Wahrheit zu sagen, gab der Bauleiter
schließlich kleinlaut zu. Nun ja, unsere Bekannte schickte von nun an regelmäßig
Freunde zur Kontrolle der Baustelle vorbei. Und siehe da, das Haus wurde zwar
nicht in Rekordzeit, aber doch innerhalb eines überschaubaren Zeitraums fertig.
Viele, die Korsika gut kennen, sagen, dass Neid das größte Problem der Korsen
sei. Neid hat immer damit zu tun, dass man bei jemand anderem etwas wahrnim-
mt oder vermutet, was man selbst nicht hat. Also wird dieser andere darum be-
neidet. Das hat viel mit einem subjektiven Minderwertigkeitsgefühl zu tun. Der
Nachbar erntet die dickeren Kartofeln? Der Schulfreund hat die hübschere Fre-
undin? Der Bruder das größere Auto? Der Kontinentalfranzose hat mehr Erfolg
im Beruf? Der Tourist die gefülltere Brietasche? Es gibt tausend Gründe, Neidge-
fühle zu hegen, auch wenn sie objektiv nicht berechtigt sind.
Antoine und Rénard waren beste Freunde, von Kindesbeinen an. Sie wuchsen als
Nachbarskinder auf, und auch als Erwachsene wohnten sie Haus an Haus. Sie
gingen zusammen Wildschweine jagen und tranken Pastis an der Bar. Sie waren
unzertrennlich - bis Rénard eines Tages auf die Idee kam, die Ruine des alten
Backhauses, das seiner Familie gehörte, zu renovieren. Er schutete monatelang,
machte alles selbst, und am Ende stand da ein kleines, aber schmuckes Haus mit
Terrasse und Meerblick. Weil sich die Zeiten geändert haten und immer mehr
Touristen in das Dorf kamen, fand er bald einen Käufer, der bereit war, eine hüb-
sche Summe für das Haus zu bezahlen. Eines Nachts, an der Bar war der Alkohol
reichlich gelossen, schreckte das halbe Dorf aus dem Schlaf hoch. Auf der Straße
wurde fürchterlich gebrüllt, und wer aus dem Fenster schaute, konnte sehen, wie
Antoine seinen Freund Rénard mit dem Gewehr bedrohte. Sie luchten und
schimpten, bis irgendwer dazwischenging und Antoine und sein Gewehr bei-
seitezog. Seit diesem Tag haben Antoine und Rénard kein einziges Wort mehr
gewechselt. Das Geld hat sie zu Feinden gemacht.
Vor Jahren brauchten wir Handwerker, weil unser Haus dringend renoviert wer-
den musste. Natürlich fragte mein Vater zuerst den Maurer aus unserem Dorf.
Der lehnte dankend ab, weil ihm die Baustelle zu mühsam war. Zu unserem Haus
kann man nämlich nicht direkt mit dem Auto fahren, man muss ein Stück laufen.
Das ist in der Tat beschwerlich, vor allem, wenn Gerätschaten und Zementsäcke
geschleppt werden müssen. Der einzige Handwerker, der bereit war, die Baustelle
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