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fehlungsschreiben hin öfneten selbst die ärmsten Dorbewohner Tür und
Speisekammer und bewirteten den unbekannten Gast mit dem Besten, das sie
vorrätig haten. Das wäre heutzutage wohl zu viel verlangt, aber noch immer
merkt man den Wirten kleiner Restaurants ihren Stolz auf ihr Speisenangebot
an - obwohl sie es natürlich niemals ofensiv anpreisen oder aufallend an-
gerichtet darbieten würden. Beides wäre unter ihrer Würde. Anders als zu
Gregorovius' Zeiten wird dem modernen Gast aber am Schluss die Rechnung
präsentiert. Und dann heißt es Zähne zusammenbeißen, denn Korsika ist teuer.
Essen gehen ist teuer, Hotels sind teuer. Selbst die Supermärkte sind im Vergleich
zum Festland teurer. Das liegt einerseits daran, dass so gut wie alles vom Festland
importiert werden muss. Andererseits ist unter Korsen auch die Haltung verbreit-
et, dass die kurze Feriensaison höhere Preise mehr als rechtfertigt. Unter-
schwellig wird sogar erwartet, dass Touristen mit Freuden tief in die Brietasche
greifen. Schließlich dürfen sie sich glücklich schätzen, ihre Ferien an diesem
bezaubernden Ort zu verbringen. Da drückt man seine Wertschätzung doch
gerne mit dem einen oder anderen Extrascheinchen aus. Der Spieß wird gewis-
sermaßen umgedreht: Die Bringschuld haben auf Korsika nicht die Korsen, son-
dern die Touristen. Nicht der Einheimische ist hier den Touristen dankbar, dass
sie sein wirtschatliches Auskommen sichern, und tut alles dafür, dass sie wieder-
kommen. Nein, auf Korsika hat der Tourist dankbar zu sein, dass die Einheimis-
chen so freundlich sind, ihn zu empfangen.
Übrigens gibt es auch beim Begleichen der Rechnung im Restaurant einen kul-
turellen Unterschied zwischen Deutschen und Korsen: Anders als bei uns üblich,
würden Korsen niemals getrennt bezahlen. Allein der umständliche Akt, den
Kellner einzeln zusammenrechnen und kassieren zu lassen, kommt in ihren Au-
gen einer Demütigung des Personals gleich (auch wenn dabei mehr Trinkgeld ab-
fällt). Ferner signalisiert das Knauserigkeit, eine weitere Todsünde, die dem
südländischen Benehmen widerspricht. In größeren Runden streiten sich die
Männer und zunehmend auch die Frauen publikumswirksam darum, wer die
Rechnung übernehmen darf. Und dann wird für alle bezahlt. Das sollte aber nicht
darüber hinwegtäuschen, dass diese Gefälligkeit auf einem unsichtbaren Konto
vermerkt wird und bei Bedarf eine Gegengefälligkeit erwartet wird. Alle
Beteiligten wissen das, gesprochen wird nicht darüber.
Was hat es nun aber mit der sprichwörtlichen Faulheit der Korsen auf sich? Nun,
ich würde sagen, sie ist eine Frage der Perspektive. Natürlich ist es ärgerlich,
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