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Obelix. Trotzdem spart er nicht mit Scherzen über ihre ausgedehnte Siesta, ihren
stinkenden Käse, ihr Machotum, ihre gefälschten Wahlen und ihre Streitlust.
Alles Dinge, deren Existenz nicht zu leugnen ist, die aber im Selbstbild der
Korsen entweder gar nicht oder ins Positive gewendet vorkommen. Wohl um die
korsischen Leser nicht zu vergraulen, stellt Goscinny der Episode ein erklärendes
Vorwort voran, das die Problematik sehr hübsch auf den Punkt bringt. Darin
heißt es über Korsika: »Es gehört zu den bevorzugten Fleckchen Erde, die Eigen-
art, ja sogar Persönlichkeit besitzen, denen weder die Zeit noch die Menschen et-
was anhaben können. Korsika ist eine der bezauberndsten Gegenden der Welt
und trägt zu Recht den Namen ›Insel der Schönheit‹. Aber wozu diese Einleitung,
wird man sich fragen. Weil die Korsen, denen man nachsagt, sie seien Individual-
isten von überschäumendem Temperament, doch gleichzeitig beherrscht und
gelassen in ihrem Gehabe, gastfreundlich, ihren Freunden treu, heimatverbunden,
redegewandt und mutig, noch eine andere Eigenschat haben: Sie sind leicht
beleidigt.«
In einem Reiseführer aus den Siebzigerjahren stieß ich auf eine besonders kreat-
ive hese zur Entstehung des korsischen Nationalcharakters: Die Malaria sei
schuld am schwierigen Wesen der Korsen, außerdem wohnten sie in den Bergen,
da könne man ja nur wunderlich werden: »In den Hochtälern zusammengepfer-
cht, entwickelten sie den Stolz der Aufständischen und eine Mentalität von Verb-
annten. (…) Viele von ihnen wurden vom Sumpieber befallen und waren so die
Opfer einer chronischen, krankhaten Gereiztheit, die sie dazu führt,
Streitigkeiten zu verschlimmern und die belanglosesten Ereignisse zu dramatis-
ieren.«
Es stimmt, die Korsen lebten lange gewissermaßen in einer doppelten Verban-
nung: erstens auf einer Insel und zweitens in schwer zugänglichen Berggebieten.
Diese zweifache Isolation und das Gefühl, von wechselnden Mächten fremd-
bestimmt, eingesperrt und ausgebeutet zu werden, förderten mit Sicherheit den
speziellen Charakter der Korsen. Wobei allerdings die Beschreibung »in
Hochtälern zusammengepfercht« nicht ganz zutrit, das Gegenteil war der Fall.
Für gewöhnlich war ein Bergdorf in mehrere Weiler ( hameaus ) unterteilt, die in
großen Abständen voneinander entfernt lagen. Aber zurück zu der kuriosen
Mückenthese: die legendäre Empindlichkeit und Streitsucht der Korsen - alles
eine Folge der Malaria? Die Korsen sind also nichts weiter als ein Volk im Fieber?
Was ist dann mit den Tausenden von Afrikanern oder Asiaten, die sich noch
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