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nehmer, der ursprünglich aus der Castangniccia stammt, einer der besonders von
Landlucht betrofenen Gegenden Korsikas, bei einem Auslug nach Sisco, »früh-
er haten wir alles, was wir brauchten, auf der Insel, wir mussten nichts impor-
tieren«. Das einfache, selbstgenügsame Leben ist noch immer ein Ideal, dem viele
Korsen nachtrauern, so unrealistisch es auch sein mag: vom Ackerbau leben, ein
wenig Handel treiben und unter sich bleiben. Schöne alte Welt.
Auf historischen Fotos lässt sich leicht erkennen, welch enorme Anstrengungen
dieses Leben mit sich brachte. An der Westküste und in den Bergen musste das
abschüssige Land erst einmal in schweißtreibender Kleinarbeit terrassiert wer-
den, anders häte man es gar nicht bewirtschaten können. Bei uns im Dorf
reichten diese Terrassen nördlich und südlich des Ortes bis ganz hinunter zum
Meer. Jede einzelne Terrasse war mit teils meterhohen Steinmauern eingefasst
und nach unten und oben abgegrenzt. In den so entstandenen Parzellen wurden
Oliven, Zitrusfrüchte, Wein sowie Weizen, Tomaten und anderes Obst und
Gemüse kultiviert. Heute sind die meisten Terrassen von der Macchia überwuch-
ert und nicht mehr begehbar. Die winzigen Früchte der wenigen Olivenbäume,
die überlebt haben, sind ungenießbar, weil niemand die Bäume beschneidet. Die
Bewirtschaftung ist viel zu mühsam und lohnt sich nicht mehr.
Allerdings ist diese Vernachlässigung kein Phänomen der Moderne. Schon der
besagte Ferdinand Gregorovius, der Korsika vor über 150 Jahren bereiste, lässt in
einem Gedicht einen Korsen unter einem Olivenbaum rasten, anstat die Felder
zu bestellen, damit seine hungernde Familie etwas zu essen bekommt. Seine
Begründung: Er ist erschöpt von unzähligen Kämpfen gegen alle möglichen
Eindringlinge. Gregorovius macht noch eine andere Beobachtung, als er durch
das »romantisch schöne Land von Orezza« reitet: »So weit das Auge reicht, über-
all diese tiefschatigen dutigen Kastanienhaine, diese gewaltigen Riesenbäume,
wie ich sie nimmer noch gesehen. Die Natur hat hier alles getan, der Mensch so
wenig. Die Kastanien sind ot sein einzig Gut, und der Korse besitzt manchmal
nicht mehr als sechs Ziegen und sechs Kastanienbäume, die ihm seine Pollenta
geben. Die Regierung hat bereits den Einfall gehabt, die Kastanienwälder
abzuhauen, um den Korsen zum Ackerbau zu zwingen, aber das hieße ihn ver-
hungern lassen.«
In früheren Jahrhunderten haten die Korsen wenig Anreiz, mehr zu produzier-
en, als sie für sich selbst brauchten, da sie eh alles andere an ihre jeweiligen Her-
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