Travel Reference
In-Depth Information
Familie? Transportiert schwitzend durchgelegene Matratzen auf den Sperrmüll/
übervolle Einkaufstaschen ins Haus/kapute Rasenmäher ins Auto. Ich kann mir
lebhat vorstellen, wie die Korsen sich hinter unseren Rücken an die Schläfe tip-
pen und sagen: »Die spinnen, die Deutschen!«
Einmal zweifelten sie endgültig an unserem Geisteszustand. Das war, als ein
Freund und ich mit Skiern durchs Dorf liefen. Jawohl, mit Skiern. Und
Skischuhen, Stöcken, Fellen, Anoraks, Rucksäcken. Mit allem eben, was man für
eine Skitour braucht. Die Männer an der Bar starrten uns hinterher, als häten sie
Geister gesehen. Dazu muss man wissen, dass die Südfranzosen, und zu diesen
wollen wir die Korsen diesmal ausnahmsweise zählen, Freizeitbeschätigungen
bevorzugen, die - mit Ausnahme der Wildschweinjagd - bequem auszuüben,
leicht erreichbar sind und keinen unnötigen Krataufwand erfordern, also etwa
Boulespielen hinter der Kirche. Wir hingegen packten unsere Skiausrüstung ins
Auto und fuhren ins Inselinnere.
Es war ein wolkenloser Tag in den Osterferien, in den Tälern zeigten sich
schon die ersten Knospen, aber von den Gipfeln leuchtete weiß der Schnee. Wir
übernachteten in Corte und brachen am nächsten Tag lange vor Sonnenaufgang
auf. Um sicherzugehen, dass der Schnee bei der Abfahrt noch nicht zu matschig,
sondern nur an der Oberläche leicht angetaut sein würde, während der Unter-
grund noch gefroren ist (man fährt auf diesem Firn wie auf Buter), mussten wir
den Gipfel so früh wie möglich erreichen. An die exakte Route erinnere ich mich
nicht mehr, nur dass wir die Punta Artica bestiegen, und die ist immerhin
2327 Meter hoch.
Im Tal war der Schnee längst geschmolzen, also mussten wir unsere Skier ein
gutes Stück durch einen zwar malerischen, aber auch sehr steilen Kiefernwald
schleppen. Nicht mein Fall. Ich gebe zu, dass ich diesen Wegabschnit nur mit
Jammern und Fluchen bewältigt habe, ich bin nun mal eine Genuss- und
Gelegenheits-Skitouren-Geherin und keine gestählte Sportlerin. Dann aber kon-
nten wir endlich anschnallen, und je höher wir kamen, desto grandioser wurde
unser Auslug. Überlüssig zu sagen, dass wir die einzigen Menschen weit und
breit waren. Am Himmel kreiste ein Raubvogel und gab kehlige Laute von sich,
unter unseren Fellen knirschte der jungfräuliche Schnee. Sonst herrschte Stille.
Nach einer Weile kamen wir an einen zu dieser Jahreszeit gefrorenen Bergsee,
den Lac de Nino, der in einem sant geschwungenen Kessel liegt. Auf dem Gipfel
hatten wir ein atemberaubendes 360-Grad-Panorama über die ganze Insel. Was
Search WWH ::




Custom Search