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direkt über dem Eingang. Er hate nur einen Zweck: Von dort aus konnte man
ungefährdet einen unerwünschten Besucher erschlagen.
Nun, tätlich angegrifen wird heute normalerweise niemand mehr beim Betre-
ten dieser Häuser. Trotzdem hat man noch immer das Gefühl, in eine Festung zu
gelangen. Kleine Fenster und mächtige Mauern aus groben Granitblöcken oder
Schiefer halten die gleißenden Sonnenstrahlen ab, drinnen herrschen angenehme
Kühle und Dämmerlicht. Im Erdgeschoss befanden sich früher die Ställe, heute
haben viele Eigentümer auch diese zu Wohnräumen ausgebaut. Die Zwischen-
stockwerke waren für je eine Familie in Schlafzimmer und einen gemeinsamen
Speiseraum aufgeteilt. Im Obergeschoss befand sich die Küche: ein großer Raum
mit einer zentralen Herdstelle, fucone genannt. Über dieser war in der Decke eine
mit einem Holzlatengrill versehene Öfnung eingelassen, mitels deren die auf
dem Dachboden aufgehängten Schinken und Würste geräuchert und Esskastani-
en trocken gehalten wurden. Heute ist dieser traditionelle Grundriss weitestge-
hend verschwunden, weil die Häuser entsprechend den wechselnden Bedürfnis-
sen der jeweiligen Bewohner zigmal umgebaut wurden.
In einigen abgelegenen Weilern gibt es noch Gebäude, deren Pforten sich in
lutiger Höhe beinden. Bei diesen Eingängen, zu denen schmale Hängetreppen
führen, handelt sich um eine weitere Sicherheitsmaßnahme, um sich vor uner-
wünschtem Besuch zu schützen - man konnte ihn einfach die Treppe hinunter-
stoßen oder diese, wie eine Zugbrücke, nach oben ziehen. Auch in Napoleons Ge-
burtshaus im mondänen Ajaccio, das direkt am Meer liegt, hat man das damals so
gehalten. Im Erdgeschoss befanden sich Vorratsräume, der Wohntrakt war nur
per Leiter durch eine Luke in der Decke zu erreichen.
Der abweisende Charakter dieser Häuser soll aber nicht über deren elegante
Innenausstattung hinwegtäuschen. Die Decken und Wände der Salons sind ot-
mals holzgetäfelt und mit aufwendigen Schnitzereien verziert. Die Böden und
Waschbecken aus Marmor, die Möbel aus besten Hölzern. Einmal konnte ich bei
einem Spaziergang durch Brando, einen hübschen Ort an der Ostseite des Cap
Corse, durch ein ofenes Fenster einen Blick auf ein besonders schönes Detail er-
haschen: Die Decke dieses von außen unscheinbar wirkenden Gebäudes war in
Freskotechnik mit iligranen Vögelchen und kunstvollen Blumen- und Plan-
zendarstellungen bemalt. An der Côte d'Azur bezahlen die Besitzer alter Villen
ihren Interiordesignern heutzutage ein Vermögen, um wenigstens einen Hauch
dieser morbiden Grandezza in ihr saniertes Heim hinüberzureten. Auf Korsika
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