Travel Reference
In-Depth Information
dabei an festgelegten Stationen insgesamt dreimal hinfallen. Hinter ihm laufen
der »Kleine Büßer« in Weiß sowie zehn weitere schwarz gekleidete Büßer.
Niemand außer dem Pfarrer weiß, wer unter den Kapuzengewändern steckt, an-
geblich handelt es sich um Männer, die sich von besonders schweren Sünden re-
inwaschen wollen. Der ganze Ort ist nur mit Kerzen erleuchtet, die Gassen säu-
men Tausende Schaulustige.
Noch ein paar Worte zur Begräbniskultur auf Korsika: Gräber sind hier nur sel-
ten herkömmliche Erdgräber, wie wir sie aus Deutschland kennen. Lieber baut
man den Toten gleich ein ganzes Haus. Besser gesagt: Jede Familie baut ihr ei-
genes Totenhaus. Es gibt diesen Spruch, mit dem man aufzählt, was ein gelin-
gendes Leben ausmacht: Planze einen Baum, zeuge ein Kind, baue ein Haus. Auf
Korsika muss man ihn abwandeln: Planze einen Weinstock, zeuge einen Sohn
(am besten gleich mehrere), errichte ein Familiengrab, das schöner und größer ist
als dein Haus. Korsische Friedhöfe erinnern deswegen an kleine Städte, Toten-
städte. Es gibt Gassen, Straßen und Plätze, die von Palmen und Zypressen bestan-
den sind, die Vorgärten sind mit Blumen beplanzt. Angeblich soll es Korsikan-
eulingen schon passiert sein, dass sie sich nachts auf so einem Friedhof verirrten,
weil sie nach einer Unterkunt suchten und die Totenhäuschen so einladend aus-
sahen. Pompöse Treppenaufgänge, rosafarbene Stuckverzierungen im Zucker-
bäckerstil, auf Hochglanz polierte Mosaike aus Marmor, gold glänzende En-
gelchen, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt - und der Geschmacksverir-
rung auch nicht. Man begegnet den prunkvollen Totenhäusern aber nicht nur auf
Friedhöfen, sondern überall auf der Insel. Es war üblich, sie direkt auf das eigene
Grundstück zu bauen. Die Toten sollten nicht zu weit von den Lebenden entfernt
liegen und auf der Erde begraben sein, die sie zeit ihres Lebens mit ihren Händen
beackert haben.
Wer hat noch mal behauptet, man könne keine irdischen Reichtümer mit in
den Tod nehmen? Die Korsen haben damit kein Problem. Schließlich haben sie
auf dem Friedhof zum letzten Mal die Gelegenheit, die Bedeutung ihrer Familie
zu demonstrieren.
Search WWH ::




Custom Search