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gen populär. Wenn jemand etwas ausgefressen hat und man nicht weiß, wer es
war, sagt man: Hè u prete chì hà fatu - »der Priester war's«.
Inzwischen hat sich, was die Religion angeht, einiges verändert. Anders als die
Moscheen, die die islamischen Einwanderer aus Nordafrika gebaut haben, sind
viele katholische Kirchen dem Verfall preisgegeben worden und die Kirchbänke
nur noch von einer Handvoll älterer Damen besetzt. Kirche ist Frauensache,
lediglich bei Taufen, Prozessionen, Hochzeiten oder Beerdigungen nehmen auch
die Männer und die Kinder teil. Längst indet auch nicht mehr jeden Sonntag in
jedem Dorf eine Messe stat. Viele Gemeinden werden von einem einzigen
Priester betreut, der die Kirchen reihum bespielt. Bei uns im Dorf gab es längere
Zeit einen polnischen Geistlichen, sozusagen einen Gastarbeiter des Herrn. Ein
korsischer oder zumindest ein französischer hate sich nicht inden lassen - die
Kirche plagen Nachwuchsprobleme an allen Ecken und Enden.
Dennoch hängen wohl über den meisten korsischen Beten Heiligenbildchen
oder -iguren. Und auch die zahlreichen Feste und Prozessionen zu Ehren der
Heiligen sind nach wie vor gut besucht. Sie scheinen den Korsen näherzustehen
als die Priester. So gut wie jedes Dorf und jede Kapelle hat ihren Heiligen, beson-
ders verehrt wird, wie bereits erwähnt, Maria, sie unterstützt die Seeleute am
Hafen von Bastia, schützt die Bergsteiger auf dem Col de Bavella vor Unweter
und Steinschlag und die Bewohner von San Laurenzu di Tralonca vor Augen-
leiden. Mit religiöser Inbrunst wird der Karfreitag begangen. In Bonifacio
prozessieren Bruderschaten, die seit dem Mitelalter existieren, durch die
Gassen, in Erbalunga am Cap Corse wird die granitula veranstaltet, eine Prozes-
sion, die auf einen Fruchtbarkeitsritus aus frühchristlicher Zeit zurückgeht. Am
bekanntesten ist aber der U-Catenacciu -Umzug in Sartène, der Name stammt von
dem Wort catena , »Kete«. In der »korsischsten aller korsischen Städte«, wie
Prosper Mérimée den 3000-Seelen-Ort wegen seines festungsartigen Charakters
genannt hat, hielten sich Traditionen länger als anderswo. Hier forderte die Ven-
deta besonders viele Opfer, der Leidensweg Christi wird hier auf besonders ar-
chaische Weise nachempfunden. Punkt 21 Uhr kniet am Karfreitag der »Große
Büßer« in einem roten Kapuzenmantel vor dem Altar der Kirche Sainte-Marie
nieder, an dem ein 31 Kilo (manche uellen behaupten 37 Kilo) schweres
Holzkreuz lehnt. An seinen nackten rechten Fuß wird eine 14 Kilo (je nach
uelle auch 17 Kilo) schwere Eisenkete angelegt. Er schultert das Kreuz und
muss sich nun, derart beladen, stundenlang durch die Altstadt schleppen und
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