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einzige, wenige Meter weiter lagen verstreut noch einige andere Exemplare, jedes
auf seine Weise vor langer Zeit von unbekannten Künstlern gestaltet.
»Wenige Kunstwerke haben auf mich einen ähnlich starken Eindruck gemacht
wie diese rudimentären und rätselhaten menschlichen Abbilder«, schrieb
Dorothy Carrington in ihrem sehr lesenswerten Buch »Granite Island. A portrait
of Corsica«. Wenn Sie es auf Englisch oder Französisch noch irgendwo ergatern
können, greifen Sie zu! Die Menhirstatuen gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf,
sie setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um namhate Archäologen für diesen
Fund zu interessieren. Vorerst vergeblich. Erst 1954 erbarmte sich Roger Gros-
jean - und widmete den bedeutenden Funden bis zu seinem Tod 1975 dann doch
etliche Jahre seiner Arbeit.
Heute kann man die Menhirstatuen von Filitosa im unteren Taravo-Gebiet gegen
Eintrit besichtigen. Das Gelände ist noch immer im Besitz der Familie Cesari, die
auch das Museum stitete. Die Anlage ist sehr geplegt, man wandelt auf mit
Schatten spendenden Spalierplanzen umstandenen Wegen. Für meinen
Geschmack ein bisschen zu dick aufgetragen ist der New-Age-Klangteppich, der
aus in der Erde installierten Lautsprechern wabert. Er soll den Besucher wohl in
eine irgendwie vorzivilisatorische Stimmung versetzen. Was auch immer das
genau sein mag, bei mir hat es jedenfalls nicht funktioniert.
Am besten wirken die majestätischen Statuen, die natürlich längst wieder zu
voller Größe aufgerichtet wurden, wenn man sie im santen Vormitagslicht be-
sichtigt. Einen Kunstführer dabeizuhaben kann nicht schaden, zumindest wenn
man alles ganz genau wissen will. Man kann auch eine ausführliche Broschüre
vor Ort kaufen.
Die Ausstrahlung der sechs Menhire ist majestätisch. Wozu genau sie dienten,
ist unbekannt, sicher ist nur, dass sie in Verbindung mit einem ausgefeilten
Totenkult entstanden. »Eine unendlich komplexe und doch als Einheit erlebte,
magisch bestimmte Frühwelt steht hinter ihnen, in der der Mensch noch keine
Analyse, kein rationelles Denken kannte, sondern nur unmitelbare Ergrifenheit.
Wirklichkeit und Phantasie waren gleichwertig, Träume wurden als reales Ges-
chehen empfunden, und das reale Geschehen wiederum war voll geheimer Bez-
iehungen zum Übersinnlichen. Gerade der Stein musste in dieser Bewusst-
seinslage zu einem der vieldeutigsten Objekte werden. Waren die Menhirstatuen
Bildnisse der machtvollen Ahnen, deren Krat im unvergänglichen Steinleib
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