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später einen fatalen Hang zu blutigen Gefechten und blitzartigen Gegenschlägen
entwickelte? Er konnte nicht anders, es war eindeutig frühkindliche Prägung…
Ansonsten deutete jedoch wenig darauf hin, dass er es einmal bis ganz nach
oben an die Spitze des französischen Staates bringen würde. Den Titel dafür
musste er sich selbst schafen - Napoleon war der Erste, der sich nach einer lan-
gen Reihe von Königen zum Kaiser krönen ließ. War das pure Dreistigkeit oder
das Ergebnis harter Arbeit? Vermutlich beides, wobei die Korsen letztere
Erklärung bevorzugen, nach dem Moto: Kaum arbeitet ein Korse mal hart, schon
wird er Kaiser. Man erzählt sich, dass Napoleon mit sehr wenig Schlaf auskam
und in wenigen Minuten ganze Mahlzeiten hinunterschlingen konnte. Anders als
seine Landsleute, die dafür berühmt sind, Wichtiges lieber auf morgen zu ver-
schieben, anstat es heute zu erledigen, konnte Napoleon mit Müßiggang nichts
anfangen. Er war strukturiert und eizient, das machte ihn zwar nicht unbedingt
zu einem sympathischen Menschen, dafür aber zu einem modernen. Ich vermute
mal, dass er, anders als viele seiner korsischen Landsleute, auch in unserer heuti-
gen schnelllebigen Zeit, in der Flexibilität alles gilt, keine Probleme gehabt häte,
sich zurechtzuinden.
Seine Eltern Letitia und Carlo Buonaparte, so die ursprüngliche, italienische
Schreibung des Familiennamens, gehörten zum niederen korsischen Adel und
waren zeit ihres Lebens von Geldsorgen geplagt. Ihre Vorfahren waren im frühen
16. Jahrhundert von der Toskana nach Korsika eingewandert, Carlo hate Jura
studiert und verdingte sich als Sekretär des Freiheitskämpfers Pasquale Paoli. Die
Geburt seines vierten Kindes Napoleon (zwei der insgesamt 13 Geschwister war-
en bereits gestorben, zwei weitere sollte das gleiche Schicksal ereilen) iel in
stürmische Zeiten. Drei Monate zuvor, am 8. Mai, waren die Korsen in der Sch-
lacht von Ponte Novo vernichtend geschlagen worden. Der Traum von der Unab-
hängigkeit war damit ausgeträumt, Korsika war nun endgültig ein Teil
Frankreichs. Der einstige Widerständler Carlo sah zu, seine Schäfchen ins
Trockene zu bringen: Er lief noch im selben Jahr zu den neuen Herrschern über
und nannte sich fortan Charles, weil das französischer klang. Sein Geld verdiente
er als Anwalt, Richter, Winzer und Landwirt. Das brachte ihm den Ruf des
Wendehalses ein, allerdings schien ihn das nicht angefochten zu haben, denn die
Vorteile überwogen: Dank seiner neuen Stellung war er nun in der Lage, seinen
beiden ältesten Söhnen Joseph und Napoleon königliche Stipendien zu organis-
ieren und ihnen eine Ausbildung in Frankreich zu ermöglichen.
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