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lautet meistens: »Das ist komplex« oder, in Bezug auf Gewalt und Maia: »Weiß
ich nicht.« Es ist ofensichtlich, er will diese Fragen nicht beantworten, schließ-
lich sprechen korsische Männer nicht mit Fremden über solche sensiblen he-
men.
Und wie steht es um die Jugend? Stat mit dem brennenden Wunsch in die
Welt hinauszuziehen, alles anders als die Eltern zu machen, verschanzen sie sich
zu Hause bei Mama und Papa. »Natürlich gibt es einen hetigen Generationen-
konflikt«, wehrt Didier ab, das sehe man schon daran, dass die Alten alleine in
den Dörfer zurückblieben und man sich nicht mehr so wie früher um sie
kümmere. Und überhaupt, fügt er hinzu, die Rebellion äußere sich hier eben nicht
unbedingt in wütender Rapmusik, sondern in traditionellen Gesängen.
Ich sitze hier, wie gesagt, nicht mit unrelektierten Hinterwäldlern zusammen,
sondern mit jungen Männern, die trotz aller Lebensfreude fürchten, dass die
Globalisierung ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen könnte. Sie plegen
eine Art Nationalismus light , würden aber, käme es darauf an, keine Sekunde
zögern, für Korsika ihr letztes Hemd zu geben. Anders als ihre Eltern, die sich
mehr oder weniger an Frankreich assimiliert haben, versuchen sie, sich eine
stringente Story zurechtzubasteln, mit der sie sich ihrer selbst versichern können.
Wichtige Elemente dieses Identitätspuzzles sind Sprache, Religion, traditionelle
Musik und das, was die Korsen als terra bezeichnen, ihre Insel, ihre Scholle. Die
Feindbilder dabei sind »das System«, »der Staat«, »die moderne Gesellschat«.
Es wäre einfacher gewesen, vor zehn Jahren über Korsika zu sprechen, sagen
die Brüder zum Abschied: »Die Insel beindet sich in einem Transformation-
sprozess, alles ist im Fluss, niemand weiß, wohin das führt.« Bevor ich wieder ins
Auto steige, sehe ich Didier und Gérard im Schaten sitzen, einen Kafee vor sich,
in der Hand eine Zigarete, schauen sie aufs Meer, das tieblau und ruhig vor sich
hinplätschert.
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