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Allerdings stürzte ausgerechnet der Nationalismus die Clans in eine hetige
Krise. Denn die Clanchefs waren mit ihren politischen Posten ja Repräsentanten
des französischen Staates, also jener Macht, die die Separatisten ablehnten. Aus
ihrer Sicht waren die traditionellen Clanstrukturen schuld daran, dass Korsika
abhängig von Paris blieb und sich mit der servilen Rolle des Dieners zu-
friedengab. Sie bekämpten die mächtigen Bosse, wo sie nur konnten. Allerdings
war das Ergebnis nicht unbedingt eine Schwächung ihrer Macht. Statdessen
transformierten sich die Clans, und als die nächste Generation ans Ruder kam,
machte diese sich einige Ideen der Nationalisten zu eigen und setzt sie nach Gut-
dünken um. Es sieht so aus, dass dabei eine Art Neoclanismus herausgekommen
ist, der womöglich nicht besser ist als das gute alte Clanwesen. Das operierte
wenigstens noch nach ehernen Prinzipien, der Neoclanismus dagegen, warnt et-
wa der Nationalist Pierrot Poggioli in seinem Buch »Clanisme, maia et national-
isme«, zögen härtere - maiöse - Saiten auf. Tatsächlich ist die Lage, was das
Verbrechen betrit, in den vergangenen Jahren unübersichtlich geworden. Clan-
mitglieder, Separatisten, korrupte Politiker und Geschätemacher, sie alle haben
sich in einem Knoten des Verbrechens verstrickt, der kaum mehr zu entwirren,
geschweige denn zu zerschlagen ist. Eine Maia nach italienischem Vorbild gebe
es zwar nicht, analysiert Jacques Follorou, Journalist bei »Le Monde«, in seinem
Buch »La Guerre des Parrains Corses« (»Der Krieg der korsischen Paten«), wohl
aber eine, die nach eigenen, sprich korsischen Gesetzen funktioniere. Sie habe
ihre Wurzeln in den Achtzigerjahren, in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit
der Gesetzeshüter vor allem dem Separatismus galt und man dem organisierten
Verbrechen gegenüber blind gewesen sei. Seitdem sei ihre Macht kontinuierlich
gewachsen.
Man kann es nicht ot genug betonen: Als Urlauber bekommt man in der Regel
nichts von all dem mit.
In seinem Roman »Das Land der Herren« rekonstruierte der korsische Journalist
Gabriel Xavier Culioli seine Familiengeschichte anhand von Tagebuchaufzeich-
nungen seines Großvaters und Gesprächen mit ihm. Die Clans waren ein selb-
stverständlicher Bestandteil in dessen Leben. Man wandte sich mit Biten aller
Art an sie, und als einmal eine Schar junger Wilder den Umsturz plante und
Culiolis Großvater mit ins Boot holen wollte, stellt der sich ohne Zögern auf die
Seite der althergebrachten Strukturen.
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