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die Augen des schwarzen Maurenkopfes verbunden hate, war nach oben an
dessen Stirn gewandert, was die Befreiung des Vaterlandes symbolisieren sollte.
Und die Ohrringe des Mauren, ein Zeichen der Sklaverei, waren auf einmal ver-
schwunden.
Die Leiden der Korsen waren noch lange nicht vorbei. Karl der Große sandte ein
Heer aus, um die Insel von den Sarazenen zu befreien. Ein weiteres Mal wurde
die Ebene an der Ostküste Schauplatz eines schrecklichen Gemetzels. Einer der
Feldherren dieser »Befreiungsarmee« war ein vom Papst gesandter Riter namens
Hugo Colonna. Er gründete eine der mächtigsten Adelsdynastien von Korsika
und teilte das Land mit anderen Herren aus Ligurien und der Toskana unter sich
auf. Die beutegierigen Adeligen bauten Burgen, tyrannisierten das Volk und ver-
wickelten sich bei dem Versuch, ihre Macht auszudehnen, in weitere blutige Fe-
hden. Das Feudalwesen war geboren. Korsischen Ursprungs war niemand dieser
signori , die grausam und rücksichtslos mit der Bevölkerung umgingen. Die
Küsten verödeten, die alten Städte Aléria und Mariana verkümmerten, die Be-
wohner der Ebene lohen aus Furcht vor Seeräubern und Sarazenen, aber auch
vor den signori in die Berge. Abgeschniten von der Welt und den andernorts be-
ginnenden humanistischen Strömungen, konnten die korsischen Barone das Volk
nach Gutdünken ausbeuten. In anderen Ländern wuchs im Laufe der Geschichte
der Widerstand gegen die Feudalherren, man organisierte sich in Zünten, Ge-
meinden und Bürgerverbänden. Nichts dergleichen geschah vorerst auf Korsika,
es gab ja weder Handel noch Industrie, weder größere Städte noch ein selbstbe-
wusstes Bürgertum.
Wahrscheinlich ist es so, dass ein derart gepeinigtes Volk irgendwann an
einem Nullpunkt ankommt. Es hat alles getan, was in seiner Macht stand, es hat
erbiterten Widerstand geleistet, es hat sich in die unwegsamen Berge zurück-
gezogen und seine Bedürfnisse auf ein Minimum reduziert. Es hat keine Reserven
mehr, also gebiert es mit der Krat der Verzweilung das völlig Unerwartete.
Ausgerechnet die Korsen, jenes rückständige Bergvolk, brachte zu dieser Zeit die
erste demokratische Verfassung Europas hervor.
Es geschah zu Beginn des 11. Jahrhunderts, als einer der Herren, ein gewisser
Graf von Cinarca, die anderen Feudalherren besiegte und sich daranmachte, ganz
Korsika unter seine Herrschat zu zwingen. Um dem etwas entgegenzusetzen,
versammelten sich die Korsen in den Bergen und berieten sich, was zu tun sei. So
entstand eine Art Volksparlament, das Sambucuccio d'Alando zum Anführer
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