Travel Reference
In-Depth Information
Aufenthalt, noch länger als heute. Seinen Platz durte man während des Halts auf
keinen Fall verlassen. Ich habe mich aber selten daran gehalten und ot heimlich
in der Bahnhofsbar einen ersten Espresso (den die Italiener meist nur schlicht
caffè nennen) getrunken. Das war so etwas wie ein Begrüßungsritual, der Dut
einer ganz anderen Passkontrolle, der mir verriet: »Endlich wieder in Italien!«
Heute ist das leider nicht mehr möglich. Zwar hält der Zug wegen eines Loko-
motivwechsels immer noch relativ lange am Brenner (auch wenn die Passkon-
trolle derweil durch das Schengen-Abkommen obsolet geworden ist), aber die
Bahnhofsbar bleibt mangels eines Betreibers geschlossen. Früher war nicht alles
besser, aber manches anders.
Alles kalter Kafee? Kalter Kafee ( caffè freddo ) kann im Sommer eine Köstlichkeit
sein, besonders, wenn er vor den Augen des Gastes aus noch dampfendem Es-
presso mit Eis und Zucker im Shaker gemixt wird ( caffè shakerato ). Im Winter
»korrigiert« manch einer seinen Espresso gern mit einem Schuss Hochprozenti-
gem ( caffè correto ) oder einfach mit etwas Milchschaum ( caffè macchiato ). Kafee
soll wach machen oder halten, und er kann auch die Verdauung anregen. Der
klassische cappuccino oder sein kleinerer Verwandter, der marocchino , die mit
aufgeschäumter Milch und etwas Kakao mehr einer Speise als einem Getränk äh-
neln, wird von Italienern ebenso wie ein Milchkafee ( caffè late ) nie nach dem
Essen und schon gar nicht am Abend bestellt. Aber italienische Kellner sind lang-
mütig und haben sich an die Wünsche vieler Nordländer gewöhnt. Außerdem hat
der Fundamentalismus auch in der Küche nichts verloren. Dennoch, wem ein Es-
presso zu wenig ist, darf sich einen doppelten ( caffè doppio ) bestellen. Wer ihn
besonders stark möchte, wählt den caffè ristreto . Im Süden des Landes plegt man
heute noch die gute Site, zum Kafee ein Glas Wasser zu reichen. Im Norden ist
dagegen der aromatisierte Espresso in Mode gekommen. Als Vetern einer
weitverzweigten Familie des correto treten die Spielarten eines caffè goloso (mit
Crèmezusätzen u.a. von Amareto, Torroncino oder Gianduia) auf. Hinter caffè
sizioso verbinden sich Aromen auf der Basis von Nüssen, Mandeln oder auch
Zimt. Und dennoch: Manchmal widersteht man all diesen süßen Verlockungen,
die der Barmann anpreist, und - correto? nein danke - möchte nur einen ein-
fachen Espresso haben, heiß und schwarz.
Es sind vielleicht nur zwei kleine Schlucke, die man für einen caffè braucht,
aber im Alltag dienen sie vielfältigen Zwecken: So begrüßt man noch vor dem
Frühstück den Morgen und unterbricht den Tag, immer dann, wenn es Not tut.
Search WWH ::




Custom Search