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gion Emilia-Romagna, die teilweise hervorragende Strukturen hat). Es drängt
sich der Verdacht auf, dass der Staat der Familie mit der gleichen Indiferenz ge-
genübersteht wie die Familie dem Staat. Kein Wunder, dass die Familie ot die
Lücken füllt, die der Staat gelassen hat. Zum Beispiel im Krankenhaus, wo die
Familie zur Plege des Patienten beitragen muss, oder bei der Altersversorgung.
Von ihrer Pension konnte auch Nonna Antonieta nicht leben, zum Glück hate
sie noch Kinder - die Familie eben -, die sich um sie kümmerten, bevor sie 2007
fast neunzigjährig gestorben ist.
Marias Pasta und die Kinder der Villa Emma
Solidarität, auch unter Nachbarn, wird hier ganz großgeschrieben, die Gastfre-
undschat sogar noch größer. Natürlich hilt man sich auch in anderen Ländern,
aber nirgendwo bin ich mit so viel Herzlichkeit eingeladen worden wie in Italien.
Ich erinnere mich an eine Tramptour durch Sardinien, als ich in Olbia die Abend-
fähre nach Civitavecchia erreichen musste. Ich hate mich spät auf den Weg
gemacht und lange an einer Straße in der Nähe von Macomer gestanden. Aber
außer ein paar Bauern auf ihren Eseln oder ihren maultierhat wirkenden Mofas
kam niemand vorbei.
Endlich hielt ein klappriger Fiat mit einem älteren Ehepaar, das aus Olbia stam-
mte. Er hieß Giuseppe und sie natürlich Maria. Auf dem vollgestopten Rücksitz
wurde Platz gemacht, und ich durte einsteigen. Weil ich mich so spät auf den
Weg gemacht hate und auch der Fiat die Steigungen der Ausläufer des Monte
Ortobene nur mühsam nehmen konnte (die heutige Schnellstraße um Nuoro her-
um gab es damals noch nicht), fuhr die Fähre pünktlich ohne mich ab, obwohl
mich die beiden Alten bis zum Hafen und zum Anleger brachten. Ich bedankte
mich und wollte mich auf die Suche nach einer einfachen Unterkunt machen.
Giuseppe sagte: »Kommt gar nicht infrage, du bleibst bei uns!«
Sie beratschlagten kurz, dann entschieden sie, dass ich bei tiu (Onkel) Gavino
übernachten sollte, weil bei ihnen kein Bet frei war. Aber als Erstes würde uns
Maria eine Pasta kochen. »Mit Tomaten aus dem eigenen Garten«, sagte Gi-
useppe, und auch den Wein würde er selber machen. Es wurde ein wundervoller
Abend. Wenn nur die Kopfschmerzen am nächsten Morgen nicht gewesen
wären… aber mit selbstgekelterten Weinen ist das immer so eine Sache.
Solidarität wird und wurde auch aus politischen Gründen geübt. Während des
Zweiten Weltkriegs haben viele Familien politisch Verfolgten Schutz geboten. In
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